Die Großherzoge. 571
besaßen nach dem Erbvergleiche das „landsittliche Eigenthumsrecht“ an
ihren leibeigenen Gutsunterthanen, desgleichen die gutsherrliche Gerichts—
barkeit und Polizeigewalt, sowie das Präsentationsrecht für die Justiz-
kanzleien und das neue Parchimer Oberappellationsgericht; sie verwalteten
durch ihren Engeren Ausschuß in Rostock den Landkasten und das stän-
dische Schuldenwesen und sendeten auch zu mehreren landesfürstlichen
Verwaltungsbehörden ihre Commissäre; selbst zur Zahlung der ordent-
lichen Contribution waren sie nur insoweit verpflichtet, als „Ritter= und
Landschaft mit ihren Hintersassen bei dem Ihrigen ruhig wohnen können“.
Darum schien dieser Staat zum ewigen Stillstand verurtheilt; jede noch
so bescheidene Reform war ein Eingriff in die wohlerworbenen Rechte der
Stände und mithin unmöglich ohne den freiwilligen Verzicht der Privi-
legirten.
Großherzog Friedrich Franz hatte dies auch längst eingesehen und
auf manche monarchische Pläne seiner Jugend verzichtet. Er wußte, daß
seine Junker ihn nur als den Ersten unter Gleichen betrachteten; wäh-
rend der ständischen Wirren des achtzehnten Jahrhunderts hatten beflissene
Federn der Adelspartei das durchsichtige Märchen aufgebracht, daß Herzog
Pribislav kein Nachkomme der alten Obotritenfürsten gewesen sei, sondern
ein einfacher wendischer Edler. Friedrich Franz begnügte sich, in seinem
Domanium, wo er Herr war, für die Bauern zu sorgen. Zum Landtage
wagte er nur noch selten mit fürstlicher Strenge zu reden, so einmal als
die Stände nahe daran waren ihm die Kosten seines Bundescontingents
zu verweigern.
Noch schwächer war der monarchische Ehrgeiz am Strelitzer Hofe.
Dort regierten nach einander die Großherzoge Karl und Georg, der Vater
und der Bruder der Königin Luise — Beide sehr wohlmeinende Herren,
aber auch Beide so fest verwachsen mit dem alten Landesbrauche, daß sie
die Lächerlichkeit ihres Schattenfürstenthums gar nicht mehr empfanden.
Der leitende Minister Klein-Mecklenburgs war August v. Oertzen, einer
der tüchtigsten aus diesem obotritischen Geheimrathsgeschlechte, ehrenhaft,
thätig, gescheidt und doch ganz unfähig, über den Gesichtskreis seiner
Standesgenossen hinauszublicken. Wie grimmig ging er einem bürgerlichen
Vasallen zu Leibe, der sich unterfangen hatte, dem Großherzoge Georg
zur vollständigen Ausführung des Art. 13 der Bundesakte die Berufung
einer allgemeinen Volksvertretung, ja sogar die Abschaffung des Erbadels
anzuempfehlen. Da hieß es in der großherzoglichen Antwort: Du hast
durch Deinen Brief „das Maß gegeben, nicht was von der ehrwürdigen
Verfassung Unseres Landes, wohl aber was von Dir als Vasallen zu
halten sei! Wir geben Dir unsere große und gerechte Unzufriedenheit zu
erkennen, verweisen Dich an Deine Stelle, verbieten Dir andurch ähn-
lichen Vorwitz für die Zukunft aufs Nachdrücklichste, ermahnen Dich aber
zugleich, Deine Ansichten und Meinungen zu läutern, vor Allem aber Dich