Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Bremen. Smidt. 579 
selber ein, und die großartige Einfalt dieser althansischen Selbstbesteuerung 
bewährte sich auch jetzt noch ebenso rühmlich wie vor drei Jahrhunderten 
als Machiavelli sie staunend lobte. Da nahe Verwandte nicht gleichzeitig 
im Rathe sitzen durften und das kaufmännische Vermögen sich selten durch 
viele Geschlechter erhält, so war trotz der aristokratischen Verfassung kein 
geschlossenes Patriciat entstanden; einzelne reiche Familien, die Meier, Wach— 
mann, Bentheim genossen wohl hohen Ansehens, aber den unbemittelten 
Talenten war der Zutritt zum Rathe keineswegs verschlossen. 
Zu diesen zählte auch der kluge Staatsmann, der während eines 
vollen Menschenalters zugleich als Bundesgesandter die auswärtige, als 
Senator und Bürgermeister die innere Politik der kleinen Republik mit 
diktatorischer Macht leitete. Johann Smidt war ursprünglich Theologe, er 
hatte in Jena zu Fichte's Füßen gesessen, mit Herbart Freundschaft ge— 
schlossen und sich die Weltanschauung unserer classischen Literatur ange— 
eignet; aber seit der junge Prediger in den Senat eingetreten war, lebte 
er nur noch der Politik und erlangte durch die Ueberlegenheit seines 
praktischen Verstandes, seiner Willenskraft, seiner Geschäftsgewandtheit 
bald ein unbestrittenes Ansehen, das um so williger ertragen wurde, da 
er als überzeugter Republikaner seine selbstherrlichen Neigungen und seine 
Empfindlichkeit gegen den Tadel der Presse immer rechtzeitig bändigte. 
Vorsichtig, verschwiegen, berechnend, aber durchaus ehrlich, verstand der 
unscheinbare kleine Mann mit dem ernsthaften Schulmeistergesichte seine 
Mitbürger ebenso geschickt zu behandeln wie die Frankfurter Diplomaten. 
Bremer mit Leib und Seele, war er schon als Student mit Anti-Xenien 
gegen die Dioskuren von Weimar aufgetreten, weil Schiller sich unter— 
standen hatte der Weser die demüthige Aeußerung in den Mund zu legen: 
„Leider von mir ist gar nichts zu sagen!“ Sein Lebelang blieb ihm der 
Rathschlag unvergessen, den ihm einst ein alter Baseler Bürgermeister 
gegeben: wir haben uns immer ein wenig größer gemacht als wir waren 
und uns gut dabei gestanden. Er überschätzte etwas die politische Be— 
deutung der Hansestädte und erkannte niemals, wie unhaltbar und gefähr— 
lich die schrankenlose Souveränität dieser Communen war; doch sah er 
wohl ein, daß die deutsche Politik seines kleinen Staates vor Allem dar— 
nach trachten mußte, niemals unter die Räder zu gerathen und hütete 
sich daher seine sehr gemäßigten liberalen Ansichten in Frankfurt ohne 
Noth zu verlautbaren; auch die Triaspläne seines Freundes Wangenheim 
unterstützte er, obwohl er sie billigte, nur mit Vorsicht. Nur einmal, 
zur Zeit der Karlsbader Beschlüsse fiel Bremen bei der Hofburg in 
Ungnade; aber der Senat beeilte sich auf das Andringen der Großmächte 
dem großen Kanzelredner Dräseke wegen einer patriotischen Predigt einen 
schonenden Verweis zu ertheilen und handhabte die Censur über die Bremer 
Zeitung so streng, daß man sich in Wien bald wieder beruhigte. Trotz 
mancher Reibungen gab Metternich den liberalen Bremer Bürgermeister 
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