Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Gründung von Bremerhaven. 581 
viele Schlachten hatten einst die Bremer geschlagen um sich ihre „könig— 
liche Straße bis in die salze See frei“ zu halten; die Stadt war verloren, 
wenn sie nicht an der völlig schiffbaren Unterweser sich einen Hafen gründete, 
etwa dort wo einst Schweden die Zwingburg des Weserhandels, die Karls— 
burg erbaut hatte. 
Smidt war es, der diesen glücklichen Gedanken zuerst faßte. Mit 
diplomatischer Meisterschaft wußte er die Eifersucht Hannovers, des bösen 
Nachbarn, der augenblicklich ausnahmsweise mit Bremen leidlich stand, 
gegen Oldenburg auszuspielen. Er stellte dem Grafen Münster und dem 
Cabinetsrath Rose vor, wie nöthig es sei, den Weserhandel auf dem 
rechten, dem hannoverschen Ufer festzuhalten, und erreichte wirklich, daß 
Hannover (Januar 1827) einige hundert Morgen des Außendeichlands 
von Lehe an Bremen abtrat. Die Bremer Bürger selber murrten, was 
man mit dieser Pfütze anfangen solle; Smidt aber ließ sich nicht beirren, 
er kannte die Legende von der Gründung Karthagos, und schon nach drei 
Jahren wurde der neue Bremerhaven eröffnet — zur Verwunderung der 
Hannoveraner, die den Sinn des Vertrages schwerlich ganz verstanden 
hatten. Nachher währte es noch mehrere Jahre bis die mißtrauischen 
Bremer Schiffer sich daran gewöhnten in dem neuen Hafen zu löschen; 
der Briefverkehr zwischen den beiden Plätzen mußte durch Fußboten besorgt 
werden, weil Hannover ein bremisches Postamt in Bremerhaven nicht 
dulden wollte. So sicherte sich Deutschlands zweite Hafenstadt unter den 
denkbar ungünstigsten Verhältnissen ihre Stellung als Seeplatz. Smidt 
dachte auch schon ernstlich an eine Eisenbahnverbindung zwischen Bremen 
und Hannover, da die Zeitungen den Plan einer Bahn Lüneburg-Braun— 
schweig besprachen, welche das Hamburgische Handelsgebiet zum Nachtheil 
Bremens zu erweitern drohte. Neben solchen Zügen einer kühnen und 
weitblickenden Handelspolitik nahm es sich freilich seltsam aus, daß die 
Stadt auch nachdem der preußische Thaler längst die Herrschaft in Nord— 
deutschland gewonnen hatte von ihrem veralteten Münzwesen, ihren Louisdor— 
Thalern, Groten und Schwaren nicht abgehen wollte. 
In Hamburg war schon die Bevölkerung weit bunter gemischt als in 
dem rein deutschen Bremen; die zahlreichen eingewanderten Engländer, 
Franzosen, Niederländer, portugiesischen und polnischen Juden erfüllten 
sich alle sehr schnell mit dem ungeheuren Selbstbewußtsein des Hamburger 
Bürgers, fühlten sich aber selten als Deutsche. Auch der Handel trug 
hier mehr als in Bremen einen internationalen Charakter. Seit dem 
Sinken Antwerpens war dieser Platz allmählich der mächtige Zwischen- 
markt für die Völker des Nordens geworden; große Fabriken verarbeiteten 
hier im Freihafen die Rohprodukte des Auslands und schädigten den 
deutschen Gewerbfleiß durch einen erdrückenden Wettbewerb. Noch mehr 
als die anderen Hansestädte hatte Hamburg der Neutralität zu verdanken. 
Mit Sehnsucht dachte Jedermann der goldenen Tage der Revolutions-
	        
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