Gründung von Bremerhaven. 581
viele Schlachten hatten einst die Bremer geschlagen um sich ihre „könig—
liche Straße bis in die salze See frei“ zu halten; die Stadt war verloren,
wenn sie nicht an der völlig schiffbaren Unterweser sich einen Hafen gründete,
etwa dort wo einst Schweden die Zwingburg des Weserhandels, die Karls—
burg erbaut hatte.
Smidt war es, der diesen glücklichen Gedanken zuerst faßte. Mit
diplomatischer Meisterschaft wußte er die Eifersucht Hannovers, des bösen
Nachbarn, der augenblicklich ausnahmsweise mit Bremen leidlich stand,
gegen Oldenburg auszuspielen. Er stellte dem Grafen Münster und dem
Cabinetsrath Rose vor, wie nöthig es sei, den Weserhandel auf dem
rechten, dem hannoverschen Ufer festzuhalten, und erreichte wirklich, daß
Hannover (Januar 1827) einige hundert Morgen des Außendeichlands
von Lehe an Bremen abtrat. Die Bremer Bürger selber murrten, was
man mit dieser Pfütze anfangen solle; Smidt aber ließ sich nicht beirren,
er kannte die Legende von der Gründung Karthagos, und schon nach drei
Jahren wurde der neue Bremerhaven eröffnet — zur Verwunderung der
Hannoveraner, die den Sinn des Vertrages schwerlich ganz verstanden
hatten. Nachher währte es noch mehrere Jahre bis die mißtrauischen
Bremer Schiffer sich daran gewöhnten in dem neuen Hafen zu löschen;
der Briefverkehr zwischen den beiden Plätzen mußte durch Fußboten besorgt
werden, weil Hannover ein bremisches Postamt in Bremerhaven nicht
dulden wollte. So sicherte sich Deutschlands zweite Hafenstadt unter den
denkbar ungünstigsten Verhältnissen ihre Stellung als Seeplatz. Smidt
dachte auch schon ernstlich an eine Eisenbahnverbindung zwischen Bremen
und Hannover, da die Zeitungen den Plan einer Bahn Lüneburg-Braun—
schweig besprachen, welche das Hamburgische Handelsgebiet zum Nachtheil
Bremens zu erweitern drohte. Neben solchen Zügen einer kühnen und
weitblickenden Handelspolitik nahm es sich freilich seltsam aus, daß die
Stadt auch nachdem der preußische Thaler längst die Herrschaft in Nord—
deutschland gewonnen hatte von ihrem veralteten Münzwesen, ihren Louisdor—
Thalern, Groten und Schwaren nicht abgehen wollte.
In Hamburg war schon die Bevölkerung weit bunter gemischt als in
dem rein deutschen Bremen; die zahlreichen eingewanderten Engländer,
Franzosen, Niederländer, portugiesischen und polnischen Juden erfüllten
sich alle sehr schnell mit dem ungeheuren Selbstbewußtsein des Hamburger
Bürgers, fühlten sich aber selten als Deutsche. Auch der Handel trug
hier mehr als in Bremen einen internationalen Charakter. Seit dem
Sinken Antwerpens war dieser Platz allmählich der mächtige Zwischen-
markt für die Völker des Nordens geworden; große Fabriken verarbeiteten
hier im Freihafen die Rohprodukte des Auslands und schädigten den
deutschen Gewerbfleiß durch einen erdrückenden Wettbewerb. Noch mehr
als die anderen Hansestädte hatte Hamburg der Neutralität zu verdanken.
Mit Sehnsucht dachte Jedermann der goldenen Tage der Revolutions-