Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Philhellenismus. Triasträume. 619 
und bestürmte die großen Mächte mit Vorschlägen, welche dem Hause 
Wittelsbach den unsterblichen Ruhm des Wiederherstellers hellenischer 
Freiheit sichern sollten. 
In der deutschen Politik dachte er sein Baiern stolz neben die beiden 
Großmächte zu stellen, als den größten der „rein deutschen Staaten“, 
als den geborenen Führer der kleinen Höfe. Er haßte Oesterreich nach 
der alten Ueberlieferung seines Geschlechts und mehr noch um neuen 
Unrechts willen; niemals konnte er der Wiener Politik verzeihen, daß sie 
sein Haus um Salzburg und die Pfalz zugleich betrogen hatte. Zu 
Preußens kriegerischer Größe blickte er mit warmer Bewunderung empor. 
Dankbar gedachte er des Schutzes, den seine Vorfahren einst in Berlin 
gefunden hatten, und sagte oft: „Ohne Friedrich den Großen stände ich 
vielleicht nicht hier.“ Dabei kam er gleichwohl nicht los von jenem alten 
Familienaberglauben, der so viele Wandlungen der neu-bairischen Politik 
erklärt: „die historischen Parvenus“ im Norden waren ja doch nur durch 
die blinde Laune des Zufalls hinaufgehoben zu einer Höhe, die von Rechts 
wegen dem vornehmeren Hause Wittelsbach gebührte! Er dachte mit Preußen 
im treuen Einvernehmen zu leben, nur in rein-deutsche Fragen durfte 
der „halb-slawische Staat“ sich nicht mischen. Für seine deutschen Pläne 
rechnete er zunächst auf den König von Württemberg, der in der That 
seine persönliche Abneigung überwand und mit dem neuen Nachbarn in 
vertraulichen Verkehr trat. 
Bernstorff betrachtete diese plötzliche Freundschaft mit Gelassenheit, da 
er sich über Ludwig's Charakter nicht täuschte, und wies den Gesandten an, 
den Münchener Hof der freundlichen Gesinnungen Preußens zu versichern, 
aber ohne allzu große Lebhaftigkeit, damit der König nicht übermüthig 
werde.“) Auch Metternich, der anfangs sehr argwöhnisch war, beruhigte 
sich bald und beschwichtigte die Besorgniß der badischen Regierung in 
seinem schwerfälligen Docententone also: „Wenn wir tiefer in die Sache 
eindringen, uns auf einen hohen Standpunkt erheben und sie vom selben 
aus in ihrer Wesenheit und in ihren wahrscheinlichen und möglichen 
Folgen berechnen, so löst sich bald das Machwerk in ein leichtes und 
luftiges Gewebe auf, dem es durchaus an innerem Gehalt und an jeder 
Art von Gediegenheit fehlt. Sie kann ihren Stützpunkt nicht in dem 
Charakter der beiden Fürsten finden, denn insofern bei ihnen von Charakter 
die Rede ist, bietet derselbe die schroffsten Gegensätze dar. In einem 
einzigen Begriffe könnte ihr beiderseitiger Geist vielleicht eine Aehnlichkeit 
darbieten, in dem Drange nach zu spielenden Rollen. Die von dem 
König von Baiern geträumte Selbständigkeit umfaßt ein zu weites Feld, 
als daß die Selbständigkeit seiner mindermächtigen Nachbarn nicht aus 
selbem verdrängt werden sollte. Die beiden Fürsten geizen nach Popularität; 
  
*) Bernstorff, Weisung an Küster, 19. Nov. 1825.
	        
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