620 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine.
die Verfolgung einer und derselben Braut vereint die Menschen nicht“
— eine boshafte Anspielung auf die längst vergangenen Tage, da Kron—
prinz Ludwig auf die Hand der späteren Königin Katharina von
Württemberg gehofft hatte. „Man tröste sich“, so schloß der Oesterreicher,
„und baue dort Schlösser auf Worte, wo man in der That sich nicht eine
recht deutliche Rechenschaft von dem zu geben weiß, was man eigentlich
will, und wo man unbedingt mehr will als man kann. Die Zeit wird
eben auch dort ihre Rechte nicht verlieren.“)
Die üble Laune, die unverkennbar aus diesen Zeilen sprach, war nicht
bloß durch die constitutionellen Reden des bairischen Selbstherrschers oder
durch die Posaunenstöße seiner liberalen Verehrer veranlaßt. König Ludwig
gab sich wenig Mühe, seine Gesinnung gegen den Erbfeind Baierns zu
verbergen; er befahl die Befestigung von Ingolstadt, obwohl er wußte daß
Kaiser Franz diesen Entschluß als eine offenbare Feindseligkeit betrachtete)
und verletzte die Hofburg empfindlich, indem er den unglücklichen Streit
um die badische Pfalz, der seit den Beschlüssen des Aachener Congresses
endlich begraben schien, sogleich wieder auferweckte.) JIn Rohrbach
und Mannheim erzogen, fühlte er sich ganz als Pfälzer, und wie er
schon als Kronprinz die vorgeblichen Ansprüche seines Hauses mit der
äußersten Hartnäckigkeit vertheidigt hatte, so hielt er es jetzt für könig-
liche Ehrenpflicht, um jeden Preis seine Heimath wieder unter wittels-
bachische Herrschaft zu bringen. Eine Fülle des Segens sollte sich über
das schöne Land ergießen: der Otto-Heinrichsbau in Heidelberg sollte
auferstehen aus seinen Trümmern, Mannheim die prunkende Residenz
des Bundestags werden, und wenn erst die Festungsreihe Philippsburg-
Germersheim-Landau gebaut war, dann wurde Baiern das Preußen des
Oberrheins!
Verständigerweise ließ sich gar nicht erwarten, daß die großen Mächte
ihre dem badischen Hofe gegebenen Zusagen ohne jeden Grund zurücknehmen
würden. Ludwig aber glaubte, dasselbe Rußland, das in Aachen für Badens
Recht eingetreten war, werde sich jetzt mit einem male auf Baierns Seite
stellen. Nach der Thronbesteigung des Kaisers Nikolaus sendete er seinen
Wrede um Glück zu wünschen nach Petersburg und schrieb dem Czaren
eigenhändig, er betrachte es als ein gutes Zeichen, daß sie Beide fast
gleichzeitig die Krone erlangt hätten. Dann bat er um Rußlands Bei-
stand und vergaß in seiner Begehrlichkeit sogar seinen gerühmten teutschen
Stolz: „ich sehe“, so betheuerte er, „in Rußland die stärkste Stütze Baierns;
ich wiederhole es, das ist mein politisches Glaubensbekenntniß!“ Czar Niko-
laus gab, wie zu erwarten stand, eine höflich ausweichende Antwort, ver-
*) Hatzfeldt's Bericht, 23. Nov. 1825; Metternich, Weisung an den Gesandten
v. Hruby in Karlsruhe, 31. März 1826.
**) Blittersdorff's Bericht, 12. Dec. 1826.
*“) S. o. II. 134 f., 482 f.