Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

670 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. 
ist wichtiger als der auswärtige Handel, jener schlägt dreimal, dieser ein— 
mal im Jahre das Capital um. Manche deutsche Staaten erhalten durch 
das Handelssystem einen zwanzig- bis zweihundertmal größeren Markt 
für ihre Produkte. Dazu kommen zweitens die finanziellen Vortheile. Der 
Satz: „je billiger die Abgabe, desto größer der Ertrag“ wird sich auch 
diesmal bewähren, wenngleich vielleicht die erste Uebergangszeit einige Aus— 
fälle bringen mag. Wichtiger ist drittens der politische Gewinn. „Wenn 
es staatswissenschaftliche Wahrheit ist, daß Zölle nur die Folge politischer 
Trennung verschiedener Staaten sind, so muß es auch Wahrheit sein, daß 
Einigung dieser Staaten zu einem Zoll= und Handels-Verbande zugleich 
auch Einigung zu einem und demselben politischen Systeme mit sich führt." 
Nun wird in großen Zügen die fridericianische Politik den Wittels- 
bachern gegenüber geschildert: wie Friedrich den ersten Nicht-Oesterreicher, 
Karl VII. auf den Kaiserthron erhoben, dann durch den bairischen Erb- 
folgekrieg und den Fürstenbund Baiern dreimal vom Untergange gerettet 
habe. Preußen hat bisher von alledem noch keine Frucht geerntet. Baierns 
feindselige Haltung zur Zeit des Rheinbundes und der ansbach-baireuther 
Händel erklärt sich nur aus „der totalen Verwirrung und Verirrung der 
Staatenpolitik“ jener revolutionären Tage. Heute aber kann Preußen 
kein Mißtrauen mehr einflößen, sondern muß wünschen „mit allen den 
Staaten, die nur von wahrhaft deutschem Interesse geleitet und Preußen 
mit offenem Vertrauen ergeben sind, nicht aber etwa den Besitz deutscher 
Provinzen bloß als Vehikel für Förderung der Interessen ihrer größeren 
auswärtigen, Deutschlands Interessen fremden Staatenkörper zu benutzen 
streben, in jeder Beziehung, politisch und commerciell, sich recht innig und 
recht enge zu verbinden.“ Möglich bleibt doch der für jetzt allerdings 
„nicht leicht gedenkbare“ Fall, daß entweder ein allgemeiner Krieg aus- 
bräche, oder „daß der Deutsche Bund in seiner jetzigen Gestalt sich einmal 
auflöste und mit Ausschluß aller heterogenen Theile sich neu gestaltete“; 
dann würde unser Handelssystem ungeheuer wichtig werden. Viertens bringt 
uns das Handelssystem eine militärische Verstärkung um 92,000 Mann. 
Baierns Zutritt entschied die Kriege von 1805 und 1806 zu Napoleon's 
Gunsten, desgleichen der Rheinbund den Krieg von 1809. Gegen Frank- 
reich können wir unser Rheinland nur decken, wenn wir der bairischen 
Pfalz sicher sind; Oesterreich aber wird durch den Handelsbund in einem 
weiten Bogen umfaßt, kann von Schlesien und Altbaiern her zugleich be- 
droht werden. Die Denkschrift schließt: „In dieser, auf gleichem Interesse 
und natürlicher Grundlage ruhenden und sich nothwendig in der Mitte 
von Deutschland erweiternden Verbindung wird erst wieder ein in Wahr- 
heit verbündetes, von innen und von außen festes und freies Deutschland 
unter dem Schutz und Schirm von Preußen bestehen. Möge nur das 
noch Fehlende weiter ergänzt und das schon Erworbene mit umsichtiger 
Sorgfalt noch weiter ausgebildet und festgehalten werden!“
	        
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