Drohende Revolution in Frankreich. 747
einem neunjährigen treulosen Ränkespiele mit kurzsichtiger Schlauheit
gesäet hatte: die Donaumündung war in Rußlands Händen, in Bukarest
und Jassy entschied der Czar, in Griechenland triumphirte die Revo-
lution und der geliebte türkische Freund schien seinem letzten Stündlein
nahe. Zur Zeit des Laibacher Congresses hatte ganz Europa bewun-
dernd zu dem großen österreichischen Staatsmanne aufgeblickt; jetzt war
in Berlin, Petersburg, Paris, Konstantinopel, selbst in London nur eine
Stimme der Verachtung über die unbegreiflichen Mißgriffe und die
vollendete Verlogenheit der Wiener Politik. Kaiser Franz empfand die
Niederlage sehr lebhaft, obwohl auch er an König Friedrich Wilhelm ein
Glückwunschschreiben sendete. Gentz wehklagte über den allgemeinen poli-
tischen Bankrott, der uns Alle erwarte, nachdem er vor Kurzem noch
über die preußische Friedensvermittlung unverschämte Witze gerissen hatte.
Metternich aber gestand in einer wehmüthigen Denkschrift dem Kaiser ein
(Okt. 1829): der Grund des Mißerfolges liege in Oesterreichs inneren
Zuständen. Er empfahl auch Reformen in der Verwaltung, im Finanz-
und Heerwesen; da er aber von alledem nichts verstand, so begnügte er
sich mit einigen allgemeinen Redensarten. Franz malte wie gewöhnlich
sein Placet darunter, und wie gewöhnlich in diesem glücklichen Staate,
blieb Alles beim Alten. —
Die Augen der Welt wurden aber bald von den orientalischen Dingen
abgelenkt, da sich in Frankreich eine gewaltige Erschütterung vorbereitete.
Im April 1829 war das Ministerium Martignac zurückgetreten. Die
gemäßigten Parteien besaßen nicht den Einmuth und nicht die Selbst-
beherrschung, um den letzten ehrlichen Versuch der Versöhnung zwischen
dem alten und dem neuen Frankreich rückhaltslos zu unterstützen. Ein
geringfügiger, fast zufälliger Streit über die Einzelheiten der neuen Ge-
meinde= und Departemental-Ordnung brachte das Cabinet zu Falle; mit
Schadenfreude sahen die Ultras, wie die Linke, die Doktrinäre, die Or-
leanisten ihnen in blinder Leidenschaft folgten. Kaum war der Schlag
gefallen, so griffen sich die besonnenen Männer erschrocken an die Stirn;
seit der Rückkehr Napoleon's aus Elba war Frankreichs friedliche Ent-
wicklung nicht mehr so furchtbar gestört worden. Nun kam was kommen
mußte. König Karl bildete sich eine Regierung nach seinem Herzen. Im
August übernahm Fürst Polignac die Leitung der Geschäfte, der Führer
der Ultras, ein fanatischer Schwärmer, der in seinen Träumen die Rath-
schläge der Mutter Gottes zu hören glaubte. Nur eine Krone, die über
den Parteien stand, konnte diesem zerrissenen Lande eine friedliche Zukunft
sichern, und jetzt warf sich das Königthum selber in die Arme einer rasen-
den Partei. Nach wenigen Wochen schon befürchteten alle Höfe, daß diese
thörichte Regierung auf einen Verfassungsbruch lossteunere. Metternich hatte
die Vildung des neuen Cabinets durch seine Bevollmächtigten Apponyi
und Binder unter der Hand begünstigt; auch Wellington begrüßte das