Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Schließung der Staatsschuld. 75 
beständigem Kampfe mit den anderen Behörden richtete sich Rother seinen 
Wirkungskreis ein, und er erreichte, daß die Schuldenverwaltung ihren 
Verpflichtungen mit höchster Pünktlichkeit nachkam, während in den Jahres- 
budgets des Finanzministers die Unordnung noch lange fortwährte.) 
Die Börse nahm den Schulden-Etat wider Verhoffen freundlich auf; 
die Kurse hielten sich auf ihrem alten Stande, da man in der Geschäfts- 
welt nach allen den giftigen Gerüchten der letzten Wochen noch schlimmere 
Enthüllungen erwartet hatte. Gleichwohl blieb der Credit des Staates 
noch immer sehr unsicher und empfindlich. Als im Sommer 1820 dreißig 
Millionen von den zurückbehaltenen Staatsschuldscheinen ausgegeben werden 
sollten, durfte Rother nicht wagen die Papiere einfach an der Börse zu 
verkaufen; die Kurse wären sonst zu tief gesunken. Er veranstaltete viel- 
mehr mit Hilfe einiger deutschen Bankhäuser eine Prämienlotterie und 
brachte also, die Kursdifferenzen geschickt benutzend, unter günstigen Be- 
dingungen 27 Millionen Staatsschuldscheine im Publikum unter. Noch 
im Jahre 1822 konnte eine neue Ausgabe von 24,5 Millionen Staats- 
schuldscheinen nur dadurch bewirkt werden, daß man die Scheine durch 
Vermittlung der Seehandlung bei Rothschild in London verpfändete und 
der König persönlich einen Schuldschein über 3,, Mill. & unterschrieb. 
Im Ganzen sind nie mehr als 115 Mill. Staatsschuldscheine ausgefertigt 
worden, und diese waren niemals sämmtlich im Umlauf. Es währte noch 
lange bis die verrufenen preußischen Papiere sich wieder einiges Ansehen 
errangen. Seit 1820 wurden die Staatsschuldscheine in Leipzig, seit 1824 
auch in Hamburg und Frankfurt regelmäßig gehandelt und im Börsen- 
Kurszettel notirt. Im Jahre 1821 ging der Kurs wieder bis auf 66 
herab; dann begann die Besserung, 1825 hielt er sich längere Zeit auf 
90—91; aber gleich darauf trat in Folge der Handelskrisis abermals ein 
Sinken ein, erst 1828 wurde der frühere Stand wieder erreicht, und im 
December 1829 konnte Rother dem Könige triumphirend melden, daß die 
Noth überstanden und der Pari-Kurs gesichert sei. 
Durch die Schließung der Staatsschuld ward auch die seit Jahren 
leidenschaftlich erörterte sogenannte Peräquationsfrage endlich entschieden. 
Das verheißungsreiche Finanzedikt von 1810 hatte auch die Ausgleichung 
aller Kriegsschulden der Provinzen versprochen, indeß ergab sich bald die 
Unausführbarkeit dieser Zusage. Im Drange der Noth hatte jeder Landes- 
theil seine Kriegsschäden nach seiner eigenen Weise, oft sehr willkürlich, 
abgeschätzt; wo fand sich ein Maßstab um diese Rechnungen in Einklang zu 
bringen? Und durfte man die Rheinländer, die Polen, die Kursachsen, die 
sich noch nicht als Preußen fühlten und schon die allgemeine Staatsschuld 
wie eine aufgedrungene fremde Last betrachteten, aufs Neue erbittern, da 
  
*) Hardenberg an das Staatsministerium, 26. Juni 1821, an Rother, Februar 
1821, an den Schatzminister, Februar 1821 u. s. w.
	        
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