88 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's.
glücklich beseitigt, und mit Genugthuung bemerkte der König, daß er doch
nicht ohne Grund, unbeirrt durch Hardenberg's Widerspruch, auf der noch—
maligen Befragung des Staatsraths bestanden hatte.
Auch der Plan der Klassensteuer erschien, wie er vorlag, noch sehr
unfertig, fast roh. Hoffmann war und blieb ein Gegner der Einkommen—
steuer; da man sie im Jahre 1812, in der Zeit der äußersten wirthschaft-
lichen Zerrüttung, nicht hatte durchsetzen können, so hielt er kurzweg für
ausgemacht, daß sie eine gehässige und unpraktische Abgabe sei. In der
That war der Zustand der Volkswirthschaft für diese Form der Besteue-
rung noch nicht reif. Wohl neun Zehntel der Bauern, die noch in den
Gewohnheiten altväterischer Naturalwirthschaft dahinlebten, wußten ihr
eigenes Einkommen nicht in Geld abzuschätzen; die höheren Stände aber
mußten erst an die direkte Steuer gewöhnt werden, nimmermehr hätten
sie ertragen, daß der Staat ihnen genaue Rechenschaft über ihr Einkommen
abforderte. Daher begnügte sich Hoffmann, die gesammte Bevölkerung
nach den durchschnittlichen Lebensgewohnheiten in vier große Klassen ein-
zutheilen, die er mit doktrinärer Zuversicht für die vier natürlichen Stände
der deutschen Gesellschaft ausgab: in der ersten Klasse sollten jährlich
24 Thaler von jeder Haushaltung, in der vierten ein halber Thaler von
jeder erwachsenen Person erhoben werden. Ohne es zu ahnen, betrat der
gelehrte Statistiker damit einen Weg, der schließlich zu der verabscheuten
Einkommensteuer führen mußte. Beschwerden wider die Einschätzung in
jene willkürlich angenommenen vier Klassen konnten gar nicht ausbleiben;
wollte man ihnen gerecht werden, so blieb zuletzt doch nichts übrig, als
eine schärfere Prüfung des Einkommens der Pflichtigen.
Der Gedanke der Einkommensteuer hatte während der letzten Jahre
in der Stille seinen Weg gemacht und wirkte noch mit dem ganzen Reize
der Neuheit; erst die Erfahrung sollte lehren, daß auch das Einkommen,
so lange man seine verschiedenen Quellen nicht unterscheidet, nur einen
sehr unsichern Maßstab für die Leistungsfähigkeit der Steuerzahler abgiebt.
Die Einkommensteuer galt bereits in weiten Kreisen des gebildeten Bürger-
thums, zumal unter den Rheinländern, als das Steuerideal und fand
auch im Staatsrathe manchen eifrigen Vertheidiger. Zu diesen gesellten
sich sodann einige Männer der alten Schule, wie Ancillon, die an der
Klassensteuer nur die Mängel bemerkten, weil sie an dem überlieferten
System der indirekten Abgaben festhalten wollten. Und wie hart wurden
doch die niederen Stände durch Hoffmann's Vierklassentheilung getroffen!
Wohl war die Zahl der Wohlhabenden noch verschwindend klein; der
Staatsrath berechnete, daß im ganzen Staate nur etwa 8000 Familien
jährlich 24 Thaler zu steuern vermöchten, aber unter diesen befanden sich
doch sicherlich tausend, die eine weit höhere Last tragen konnten, und sie
sollten begünstigt werden, zum Schaden der Armen! Die königlichen
Prinzen rügten diesen Uebelstand mit scharfen Worten; sie zeigten sich alle