Ancillon und die Prinzen. 89
durchdrungen von der volksfreundlichen Gesinnung ihres Hauses, von
den guten alten Ueberlieferungen des Königthums der Bettler. Um die
öffentliche Meinung zu versöhnen schien es namentlich rathsam, die ober—
sten Staatsdiener schärfer zu besteuern; denn überall in Deutschland
glaubte das Volk, der hohe Beamte führe ein beneidenswerthes Wohl—
leben: hatte er doch sein gesichertes Auskommen, und wie Wenige aus
diesem verarmten Geschlechte waren in der gleichen Lage! Auf den Antrag
des Prinzen August beschloß der Staatsrath am 24. April, zu den vor—
geschlagenen vier Klassen noch eine oberste, mit einem Steuersatze von
48 Thaler, hinzuzufügen.“) —
Mit diesen Einzelverhandlungen verkettete sich ein Streit, der alle
Finanzpläne Hardenberg's wieder in Frage zu stellen drohte. Die reak—
tionäre Partei am Hofe betrachtete dies ganze Reformwerk, das ja offen—
bar die Einführung der Verfassung vorbereiten sollte, von vornherein mit
scheelen Augen. Vor Kurzem erst hatte sie dem Staatskanzler zum Sturze
Humboldt's und Boyen's die Hand geboten, jetzt schien ihr die Zeit ge—
kommen, auch gegen ihn selber, der in Wien trotz aller seiner Nachgiebig—
keit als das Haupt der preußischen Jacobiner galt, den Kampf zu er—
öffnen. An ihre Spitze trat Ancillon mit seinen alten Genossen Karl
von Mecklenburg, Wittgenstein, Knesebeck. Auch der vormalige Minister
Brockhausen schloß sich an, ein greiser Herr, der noch ganz in den Ge—
danken der neunziger Jahre lebte, desgleichen der streng conservative Ober—
präsident Bülow. Sogar Vincke näherte sich jetzt diesem Kreise, dessen
politische Ziele ihm so fern lagen. Der treffliche Mann war seit den
Karlsbader Beschlüssen tief verstimmt. „Es wird ja immer toller,“ schrieb
er verzweifelt seinem Freunde Solms-Laubach, „an landständische Ver—
fassungen, andere als die verabscheuungswürdige österreichische, ist gar nicht
zu denken.“ Mehrmals war er nahe daran sein Amt niederzulegen; nur
das Pflichtgefühl hielt ihn zurück: „man muß sich kasteien und bleiben.“
Die hohen Ausgaben für das Heer betrachtete er als eine unverantwort—
liche Verschleuderung. Zudem fühlte er sich in seinem altpreußischen
Ordnungssinne tief verletzt, da er in der Verwaltung Westphalens so
manche arge Nachlässigkeit des Hardenberg'schen Regiments kennen gelernt
hatte, und schloß daraus, die Steuererhöhung sei vielleicht nur durch die
Verschwendung des Staatskanzlers nöthig geworden.“*)
Aehnliche Bedenken hegten auch die fünf königlichen Prinzen, die im
Staatsrathe saßen, nicht blos der romantisch aufgeregte Kronprinz, der
auf das Lob der guten alten Zeit, wenn es aus dem Munde seines alten
Lehrers erklang, so bereitwillig hörte, daß Hardenberg ärgerlich in sein
Tagebuch schrieb: „des Kronprinzen Kleben am Alten per Ancillon“) —
*) Protocolle des Staatsraths, 22., 24. April 1820.
**) Vincke an Solms-Laubach, 12. Okt. 1819, 12. Jan., 14. Febr., 18. Mai 1820.
***) Hardenberg's Tagebuch, 28. Jan. 1820.