Erster Abschnitt.
Die Juli-Revolution und der Weltfriede.
Das Fortwirken der Vergangenheit in der Gegenwart bewährt sich
unerbittlich auch in den Geschicken solcher Völker, welche an dies historische
Gesetz nicht glauben wollen. Durch die erste Revolution hatten die Fran-
zosen mit ihrer Geschichte gebrochen; sie wähnten ihrer Vorzeit ledig zu
sein und sahen nicht, daß Napoleon nur in vereinfachten, demokratischen
Formen den alten zentralisierten Beamtenstaat Richelieus wiederherstellte,
als er dem neuen Frankreich seine dauernde Verfassung gab. Noch weniger
wollten sie im Jahre 1830 erkennen, daß die Juli-Revolution ihre welt-
erschütternden Folgen großenteils der Nachwirkung der Vergangenheit
verdankte. Seit den Wiener Verträgen besaß Frankreich weder die kriege-
rische Macht noch die geistigen Kräfte mehr, um die Führerstellung unter
den Völkern zu beanspruchen; der Tag von Belle Alliance hatte die Über-
legenheit der deutschen Waffen erwiesen, in Kunst und Wissenschaft war
Deutschland längst zu neuen, eigenen Idealen gelangt, auch die prunkenden
Redekämpfe der französischen Volkstribunen und Tagesschriften bewegten
sich immer noch in den ausgefahrenen Gleisen der Ideen von 89, sie
warfen keinen schöpferischen politischen Gedanken in die Zeit. Aber die
Erinnerungen an die hundertjährige Weltherrschaft der französischen Bil-
dung, an die Propaganda der Jakobiner, an das napoleonische Reich
blieben noch überall lebendig; auf das Heimatland der Revolution richtete
sich unverwandt die Besorgnis der Höfe, die Hoffnung aller Unzufriedenen.
Als dort das wiederhergestellte legitime Königtum zusammenstürzte,
urplötzlich, wie durch eine unabwendbare Naturgewalt, da schien die ge-
samte neue Ordnung der Staatengesellschaft zu wanken. Ermutigt durch
Frankreichs Vorbild erhoben sich fast in allen Nachbarlanden die Mächte
der Revolution, die Schlagworte der Menschenrechte waren in aller
Munde. Selbst die sonst fremdem Einfluß so unzugänglichen Briten ver-
spürten den Zauber der demokratischen Ideen Frankreichs und begannen
durch die Reformbill den ehrwürdigen Bau ihrer parlamentarischen
Aristokratie zu zerstören. Die Franzosen nannten sich wieder die große
Nation und wähnten, ihre Trikolore halte von neuem den Rundgang