116 IV. 2. Die konstitutionelle Bewegung in Norddeutschland.
besprach sich im Januar persönlich mit Herzog Wilhelm; die beiden Höfe
eigneten sich sogar den Wortlaut der preußischen Denkschrift großenteils
an und ließen am 10. März im Bundestage erklären: nachdem sie die
Überzeugung von der absoluten Regierungsunfähigkeit des Herzogs Karl
gewonnen hätten, sei die Regierung des Herzogtums als erledigt an-
zusehen und nunmehr definitiv auf den nächsten Agnaten Herzog Wilhelm
übergegangen.
Welch ein Aufruhr am Bundestage, als diese Erklärung verlesen
wurde! Schon auf die erste Andeutung, daß Herzog Wilhelm die Krone
für sich verlange, hatte Metternich dem preußischen Gesandten in hellem
Zorne zugerufen: „Ich kann und will es noch nicht glauben. Sollte dies
aber wider Verhoffen die eigene Ansicht dieses jungen Fürsten sein, so
würde ich darin nur mit Bedauern einen Beweis finden können, daß
derselbe nicht würdig sei, die ihm anvertraute Stellung auszufüllen.“)
Sein legitimistischer Feuereifer verwickelte den Staatskanzler in die selt-
samsten Widersprüche. Die absolute Regierungsunfähigkeit des Herzogs Karl
gestand er ausdrücklich zu, und gleichwohl verlangte er in einer Denkschrift
für den Hof von Hannover, daß Herzog Wilhelm nur die Statthalterschaft
für seinen Bruder führen, die Braunschweiger ihm nicht huldigen, son-
dern nur einen Paritionseid leisten dürften. Diese Sophismen gefielen
ihm selber so wohl, daß er sie auch nach Berlin sendete und mit ge-
wohnter Anspruchslosigkeit dazu bemerkte: „Wir schmeicheln uns, diese
Ausführung als streng korrekt bezeichnen zu dürfen.““) Und doch war
eine gegen den ausgesprochenen Willen des legitimen Fürsten geführte
Statthalterschaft um kein Haarbreit rechtmäßiger als eine usurpierte Her-
zogswürde. Darauf entspann sich ein sehr lebhafter Meinungsaustausch
zwischen den beiden deutschen Großmächten. Metternich blieb hartnäckig
bei seiner Behauptung, daß allein die illegitime Statthalterschaft der
„Korrektheit“ entspreche; der kaiserliche Hof müsse freilich, um die Braun-
schweiger nicht aufzuregen, alles geschehen lassen, was die Agnaten be-
schlössen; doch unmöglich könne er ihrer Erklärung zustimmen, die „auf
eine so unnötige, sophistische und empörende Weise alle Grundsätze der
Legitimität über den Haufen werfe“. **) Das alles klang so rätselhaft,
daß man in Berlin anfangs an ein Mißverständnis glaubte. Da erfuhr
man durch den österreichischen Gesandten Hruby in Hannover, daß Kaiser
Franz selber und seine dem Braunschweiger nahe verwandte bayrische
Gemahlin hinter Metternich standen. Nun war keine Hoffnung mehr;
am 24. März ließ Bernstorff nach Wien schreiben, er bedauere, daß eine
*) Maltzahns Bericht, 7. Jan. 1831.
** ) Metternich, Promemoria an den hannöv. Gesandten v. Bodenhausen 29. Jan.,
an Trauttmansdorff 4. Febr. 1831.
*##) Maltzahns Bericht, Wien 4. März 1831.