Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Beginn des nationalen Kampses. 175 
mütigen Wahne, als ob sie durch ihre Verbrüderung mit den Schles— 
wigern den dänischen Gesamtstaat stärken, der Krone einen Dienst er— 
weisen könnten, und enthüllte ihnen schonungslos die Hintergedanken der 
Dänen, die offenbar darauf ausgingen, Schleswig zu verschlingen, die 
Verbindung der Herzogtümer zu zerreißen. Ebenso scharf faßte er auch 
die Erbfolgefrage ins Auge und zeigte, daß in Schleswig-Holstein allein dem 
Mannesstamme die Thronfolge gebühre, in Dänemark aber seit dem 
Königsgesetze auch dem Weiberstamme, und mithin, da das dänische 
Haus nur noch auf sechs Augen stand, leicht eine Trennung der beiden 
Staaten eintreten könne. Die formlose Schrift zeigte vielfach die Mängel 
überhasteter Forschung, aber auch überall die große Leidenschaft eines ge- 
borenen Publizisten, der mit festem Griff das Wesentliche aus der Fülle 
des Stoffes heraushob und dem Leser unerbittlich eine Entschließung auf- 
zwang; sie ward erst nach dem Tode des Verfassers durch Georg Beseler 
herausgegeben und hat dann als ein teueres Vermächtnis auf die 
nationalen Kämpfe der vierziger Jahre noch stark eingewirkt. Lornsen 
schrieb daran unter unsäglichen Qualen, in der Sonnenglut Brasiliens, 
wo er nach überstandener Haft vergeblich Heilung für seine Krankheit 
suchte; die aufopfernde Freundschaft des treuen Hegewisch vermochte den 
Unseligen nicht mehr aufzurichten. Nach Europa zurückgekehrt, gab er 
sich in den Wellen des Genfer Sees selbst den Tod (1838), der Edelsten 
einer aus der langen Reihe der Kämpfer und Dulder, welche dem Tage 
der deutschen Einheit vorangingen. 
Die Schleswig-Holsteiner brauchten noch eine gute Weile, bis sie die 
feindseligen Anschläge des Dänentums ebenso klar wie Lornsen erkannten. 
Wie hätte sich auch in diesem behaglichen Sonderleben das Verständnis 
für nationale Machtfragen rasch entwickeln können? Selbst Hegewisch, 
der über den Gesichtskreis seiner Holsten weit hinaussah, meinte damals 
noch gemütlich: einer Kriegsflotte bedürfen die Herzogtümer nicht; „Ham- 
burger Schiffe befahren alle Meere ganz ohne bewaffnete Seemacht.“ 
Als die neuen Landtage zuerst angekündigt wurden, ließ Falck die Schriften 
zweier Kopenhagener Liberalen, des Professors David und des ehrgeizigen 
jungen Kapitäns Tscherning, über die preußischen Provinzialstände über- 
setzen und sprach im Vorworte ganz wie ein guter Landsmann der beiden 
Dänen. Noch vier Jahre später wurde David, als er nach einem glück- 
lich überstandenen Preßprozesse durch Kiel kam, von den Studenten als 
ein Held der Freiheit gefeiert, obgleich seine Zeitung Faedrelandet das 
Deutschtum Schleswigs offen bekämpfte. Die ersten Verhandlungen der 
beiden Landtage verliefen noch ziemlich still. Die Stände bekundeten 
zwar mehrfach jenen Drang nach Erweiterung der eigenen Rechte, der 
sich in beratenden Parlamenten, wenn sie nicht ganz in Schlummer 
versinken, unausbleiblich einstellt; sie verlangten eine beschränkte Offent- 
lichkeit für ihre Beratungen und genauere Rechenschaft über den Staats-
	        
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