Parteikampf in Neuenburg. 181
geblüht in den unwirtlichen Jurabergen; droben im rauhen Hochtale
von La Chaux de Fonds, wo kaum das Korn reifte, lag jetzt eine große
Gewerbstadt, die ihre Uhren in alle Welt versendete, und mit dem Reich—
tum der Pourtalès oder Pury konnte sich manches Fürstenhaus nicht
messen.
Alle diese Segnungen der guten alten Zeit schienen jetzt zurückzu—
kehren, als die Hohenzollern wieder einzogen. Der König bestätigte von
neuem die alten Landesrechte und verstärkte sie noch, indem er den seit Jahr-
hunderten eingeschlummerten Landtag der Trois Etats wieder ins Leben
rief. Der Gewerbfleiß nahm einen neuen Aufschwung, da Preußen und
seine Zollverbündeten den neuenburgischen Waren große Begünstigungen
gewährten. Schon begann die gebildete Jugend sich den deutschen Hoch-
schulen zuzuwenden; auch die neue Akademie der kleinen Hauptstadt folgte,
trotz der französischen Lehrsprache, den Bahnen deutscher Wissenschaft. Die
Söhne der vornehmen Geschlechter, der Pourtalès, Sandoz, Rougemont,
Crousaz dienten häufig im Heere oder am Hofe ihres Königs. Auch für
die altschweizerische Reisläuferlust des kleinen Mannes war gesorgt durch
die Augenweide der Berliner Straßenjugend, das Gardeschützenbataillon,
das auf Grund einer vereinbarten Kapitulation in Neuenburg angeworben
und gleich den Schweizerregimentern des Papstes oder des Königs von
Neapel als eine Schar freiwilliger ausländischer Söldner behandelt wurde.
Gleichwohl zeigten sich bald die Keime inneren Unfriedens, weil das
Verhältnis des Fürstentums zur Eidgenossenschaft sich gänzlich verschoben
hatte. Dieser winzige Hausbesitz, der für den preußischen Staat gar nichts
leistete, sondern lediglich Wohltaten von den Hohenzollern empfing, be-
reitete den Staatsmännern Preußens beständig Verlegenheiten, und nicht
lange, so konnte man im Berliner Auswärtigen Amte, das die neuen-
burgischen wie alle anderen auswärtigen Angelegenheiten bearbeitete, schon
die ärgerliche Außerung hören: wenn der Kanton nur in seinen See
versänke! Im achtzehnten Jahrhundert war Neuenburg nur ein zuge-
wandter Ort der Schweiz, ohne Stimme auf der Tagsatzung, der König
selbst ein Schweizerbürger und als „lieber treuer Eidgenosse“ gleich allen
seinen Neuenburgern dem Schweizer Bunde persönlich verpflichtet. In-
zwischen hatte die Revolution alle die anderen zugewandten Orte binweg-
gefegt, die neue Schweiz bestand nur noch aus gleichberechtigten Kantonen,
und als das Fürstentum im Mai 1815 in die Eidgenossenschaft wieder
aufgenommen wurde, war der neue Kanton die einzige Monarchie in einem
Bunde kleiner Republiken. Hardenberg fühlte, welche peinliche Rolle ein
königlicher Gesandter auf der Tagsatzung inmitten der republikanischen
Amtsgenossen spielen müßte. Um die Reibung zu mindern, bedang er sich
daher aus, daß die Verpflichtungen des Fürstentums gegen die Schweiz
allein durch die Neuenburger Regierung, den Staatsrat, ohne Mitwirkung
des Königs erfüllt werden sollten. Daswohlgemeinte Auskunftsmittel erwies