Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Parteikampf in Neuenburg. 181 
geblüht in den unwirtlichen Jurabergen; droben im rauhen Hochtale 
von La Chaux de Fonds, wo kaum das Korn reifte, lag jetzt eine große 
Gewerbstadt, die ihre Uhren in alle Welt versendete, und mit dem Reich— 
tum der Pourtalès oder Pury konnte sich manches Fürstenhaus nicht 
messen. 
Alle diese Segnungen der guten alten Zeit schienen jetzt zurückzu— 
kehren, als die Hohenzollern wieder einzogen. Der König bestätigte von 
neuem die alten Landesrechte und verstärkte sie noch, indem er den seit Jahr- 
hunderten eingeschlummerten Landtag der Trois Etats wieder ins Leben 
rief. Der Gewerbfleiß nahm einen neuen Aufschwung, da Preußen und 
seine Zollverbündeten den neuenburgischen Waren große Begünstigungen 
gewährten. Schon begann die gebildete Jugend sich den deutschen Hoch- 
schulen zuzuwenden; auch die neue Akademie der kleinen Hauptstadt folgte, 
trotz der französischen Lehrsprache, den Bahnen deutscher Wissenschaft. Die 
Söhne der vornehmen Geschlechter, der Pourtalès, Sandoz, Rougemont, 
Crousaz dienten häufig im Heere oder am Hofe ihres Königs. Auch für 
die altschweizerische Reisläuferlust des kleinen Mannes war gesorgt durch 
die Augenweide der Berliner Straßenjugend, das Gardeschützenbataillon, 
das auf Grund einer vereinbarten Kapitulation in Neuenburg angeworben 
und gleich den Schweizerregimentern des Papstes oder des Königs von 
Neapel als eine Schar freiwilliger ausländischer Söldner behandelt wurde. 
Gleichwohl zeigten sich bald die Keime inneren Unfriedens, weil das 
Verhältnis des Fürstentums zur Eidgenossenschaft sich gänzlich verschoben 
hatte. Dieser winzige Hausbesitz, der für den preußischen Staat gar nichts 
leistete, sondern lediglich Wohltaten von den Hohenzollern empfing, be- 
reitete den Staatsmännern Preußens beständig Verlegenheiten, und nicht 
lange, so konnte man im Berliner Auswärtigen Amte, das die neuen- 
burgischen wie alle anderen auswärtigen Angelegenheiten bearbeitete, schon 
die ärgerliche Außerung hören: wenn der Kanton nur in seinen See 
versänke! Im achtzehnten Jahrhundert war Neuenburg nur ein zuge- 
wandter Ort der Schweiz, ohne Stimme auf der Tagsatzung, der König 
selbst ein Schweizerbürger und als „lieber treuer Eidgenosse“ gleich allen 
seinen Neuenburgern dem Schweizer Bunde persönlich verpflichtet. In- 
zwischen hatte die Revolution alle die anderen zugewandten Orte binweg- 
gefegt, die neue Schweiz bestand nur noch aus gleichberechtigten Kantonen, 
und als das Fürstentum im Mai 1815 in die Eidgenossenschaft wieder 
aufgenommen wurde, war der neue Kanton die einzige Monarchie in einem 
Bunde kleiner Republiken. Hardenberg fühlte, welche peinliche Rolle ein 
königlicher Gesandter auf der Tagsatzung inmitten der republikanischen 
Amtsgenossen spielen müßte. Um die Reibung zu mindern, bedang er sich 
daher aus, daß die Verpflichtungen des Fürstentums gegen die Schweiz 
allein durch die Neuenburger Regierung, den Staatsrat, ohne Mitwirkung 
des Königs erfüllt werden sollten. Daswohlgemeinte Auskunftsmittel erwies
	        
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