Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

210 IV. 3. Preußens Mittelstellung. 
Pommern für den weißen Adler beanspruchte. Ebenso roh und verlogen 
äußerte sich J. Czynski in der Schrift „Preußen im Jahre 1831“ über 
die Behandlung seiner Landsleute. Mickiewicz aber, der gefeierte Dichter, 
teilte in den „Büchern des polnischen Volks“ die ganze Weltgeschichte 
in zwei Abschnitte: „von Erschaffung der Welt bis zum Leidenstode der 
polnischen Nation“, und dann die Zeit nachher. Den Charakter des 
Deutschen schilderte er also: „sein Vater ist der Arbeitsplatz und seine 
Mutter die Kneipe.“ Er schloß mit dem Gebete: „Erlöse uns, Herr, durch 
das Blut der Soldaten totgeschlagen in Fischau von den Preußen !“ Und 
diese wütenden Angriffe der Todfeinde Deutschlands wurden von den 
süddeutschen Kammerrednern und Zeitungsschreibern eifrig nachgesprochen, 
obgleich zwei preußische Offiziere, Dankbahr und Brandt, beide Augen- 
zeugen, in verständigen Schriften den wirklichen Hergang längst wahrheits- 
getreu geschildert hatten. Was galten auch diesen fremdbürgerlichen Herzen 
die schlichten Worte deutscher Landsleute neben den Prahlereien „edler 
Polen“? So lautete das unerläßliche schmückende Beiwort in den liberalen 
Zeitungen, unedle Polen gab es nicht. 
In Altpreußen ließen diese polnischen Händel zuletzt viel böses Blut 
zurück. Die langanhaltende Grenzbewachung störte den gewohnten Ver- 
kehr, und bei den Sperrmaßregeln gegen die Cholera konnten arge Miß- 
griffe nicht ausbleiben, da noch niemand die rätselhafte Seuche kannte. 
Schön, der wie gewöhnlich alles besser wußte, glaubte erkannt zu haben, 
daß die Cholera nicht ansteckend sei, und vermehrte die Verwirrung noch 
durch seine wohlgemeinten eigenmächtigen Vorschriften. Nach deutschem 
Brauche warf man alle Schuld auf die Regierung. Der Magistrat von 
Königsberg richtete im Juli 1831 eine sehr unehrerbietige Adresse an den 
König und verlangte völlige Absperrung gegen Rußland zu Lande wie zur 
See;z eine höchst ungnädige Kabinettsordre verwies ihn zur Ruhe. Als nun 
endlich die Kriegswetter verrauschten, erstattete Rußland seinen Dank für 
Preußens freundnachbarliche Hilfe durch eine Verschärfung der Grenz- 
sperre, welche den gesetzlichen Handel zwischen den beiden Nachbarländern 
fast vernichtete. Die Provinz litt schwer, die Mißstimmung stieg, und 
um die Mitte der dreißiger Jahre erkannte man das gut königliche Königs- 
berg kaum mehr wieder. Die Stadt zerfiel fortan in zwei grimmig ver- 
feindete Parteien, die einander mit der ganzen Schroffheit der Altpreußen 
bekämpften, und die vordem so zahme Königsberger Zeitung redete jetzt 
über alle Schritte der Regierung mit einer Gehässigkeit, welche deutlich 
erkennen ließ, daß die schwere Willenskraft dieser Provinz leicht der Träger 
einer gefährlichen Opposition werden konnte. Wahrlich es war dringend 
geboten, allen diesen verhaltenen Gegensätzen endlich Tür und Tor zu 
öffnen; und Dahlmann traf den Nagel auf den Kopf, als er in der Han- 
növerschen Zeitung, in der „Rede eines Fürchtenden“ sagte: „Wir haben 
einen Staat in Deutschland, der den wunderbaren Speer besitzt, welcher heilt
	        
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