Die große Woche der Pariser. 15
begangenen Unrechts die legitime und konstitutionelle Ordnung auf lange
hinaus gesichert werden. Aber Treue fand sich nirgends, klarer Entschluß
nur bei den Männern, welche die Revolution von 1688 zu wiederholen
gedachten. Das vergossene Blut schrie um Sühne, der wilden Rachgier
schien die Regierung dieses Königs fortan unmöglich. Da wagten Thiers,
Mignet und ihre Freunde zuerst, in Flugblättern die Krone für den Herzog
Ludwig Philipp von Orleans zu verlangen. Hinter ihnen stand ein Un—
heil verkündender Name, der alte, von den Bourbonen undankbar zurück—
gesetzte Talleyrand; mit seiner untrüglichen Spürkraft ahnte er schon den
Umschlag des Wetters und stand unbedenklich bereit, seine Segel wieder
von günstigem Fahrwinde schwellen zu lassen.
Herzog Ludwig Philipp hatte sich, solange die Wage noch schwankte,
im Parke von Neuilly verborgen gehalten und nur durch seine Schwester
Madame Adelaide, den einzigen Mann der Familie Orleans, mit den
Sendboten seiner Anhänger unterhandeln lassen. Schwankend zwischen
Angst und Begehrlichkeit ließ er sich endlich bereden, in die Stadt zu kom-
men. Dort übernahm er das Reichsverweseramt, das ihm die Kammern
antrugen, und erschien mit der dreifarbigen Fahne in der Hand auf der
alten Heimstätte der Pariser Aufstände, auf dem Altane des Rathauses,
wo er den General Lafayette vor allem Volk umarmte. Nachher gab der
Held zweier Welten dem neuen Gewalthaber seinen Segen mit dem großen
Worte: nunmehr ist der Thron von republikanischen Einrichtungen um—
geben. Dem Könige gingen nun endlich die Augen auf; er ernannte den
Herzog von Orleans auch seinerseits zum Generalstatthalter des König—
reichs. Schon Tags darauf, am 2. August, verzichtete er für sich und
den Dauphin auf die Krone; zugleich befahl er dem Generalstatthalter,
die Thronbesteigung seines Enkels Heinrich V. zu verkündigen und die
erforderlichen Anordnungen für die Zeit der Minderjährigkeit des jungen
Königs zu treffen. Ludwig Philipp aber unterschlug diesen Befehl; er
teilte der Kammer nur die Abdankung des Königs und des Dauphins
mit. Von Heinrich V. sagte er kein Wort; die harmlosen Leute sollten
glauben, daß die Bourbonen ihr Thronrecht aufgegeben hätten.
So erschlich er sich die Krone durch schlechte Künste und verriet seine
Vettern, minder ruchlos vielleicht, aber ganz ebenso unritterlich wie einst
sein Vater den sechzehnten Ludwig verraten hatte. Furcht und Ehrgeiz,
die beiden beherrschenden Kräfte seines Charakters, wirkten diesmal zu-
sammen; denn übernahm er nach seiner Fürstenpflicht die Statthalter-
schaft für den jungen König Heinrich V., so konnte der Haß, der auf dem
Namen der Bourbonen lastete, leicht auch ihn selber und das Haus
Orleans vernichten.
Mit reißender Schnelligkeit eilte nun das Ränkespiel dem Schlusse
zu; schon am 7. August wurde das Bürgerkönigtum Ludwig Philipps
förmlich eingesetzt. Währenddem führte der entthronte König selber den