224 IV. 4. Landtage und Feste in Oberdeutschland.
keit stach von dem verschlossenen Wesen des gestrengen Vorgängers er—
freulich ab. Aber die Staatsgeschäfte kannte er nicht, selbständiges
Nachdenken fiel ihm schwer, noch schwerer ein kräftiger Entschluß; am
wohlsten fühlte er sich in seinem Marstall oder auf dem Schießstande,
für Künste und Wissenschaften zeigte er wenig Verständnis. Seine Ge—
mahlin Sophie, eine stolze Wasa von klarem Verstande, starkem Willen,
lebhaftem Tatendrange und fürstlicher Haltung, übersah den gutmütigen
Gatten weit; auch sein Bruder, Markgraf Wilhelm, ein tapferer General
des napoleonischen Heeres, war nicht ohne Ehrgeiz, und seit der Markgraf
eine Schwester des Königs von Württemberg geheiratet hatte, glaubte
sich der schwäbische Schwager ebenfalls berechtigt, am Karlsruher Hofe
mitzureden.
Zum Glück fand der Großherzog einen Rückhalt an dem alterprobten
Vertrauten der hochbergischen Markgrafen, dem Staatsrat Winter, der
seit Jahren die Vermögensgeschäfte dieser jüngeren Linie besorgte, auch
als Schriftsteller ihr Thronfolgerecht siegreich verteidigt hatte. Winter
war längst schon der leitende Kopf der Verwaltung des Innern, soweit
der Großherzog Ludwig ihm freie Hand ließ. Die Sünden der ver—
gangenen Regierung rechnete man ihm nicht an; jedermann wußte, daß er
vieles nur widerwillig hatte geschehen lassen. Der schlichte Mann mit
dem diplomatisch klugen und doch treuherzig gemütlichen Gesichte war
ganz dazu angetan, das Vertrauen dieses bürgerlichen Landes zu ge—
winnen. Sein klarer Geschäftsverstand erkannte sofort, das alte harte
System der polizeilichen Überwachung sei unhaltbar, die neue Linie der
Dynastie müsse die Liebe des Volks zu gewinnen suchen. Auf seinen Rat
unternahm der Großherzog eine Rundreise durch das Land, und die un-
geheuchelte Freude der Massen verkündete überall, welche stolzen Hoffnungen
dies Völkchen an den Hingang seines ungeliebten alten Fürsten knüpfte.
Die Heidelberger sangen ihrem Leopold zu:
Herzensreinheit ist dein Teil!
Sie nur bringt der Zukunft Heil!
und veranstalteten ihm zu Ehren einen künstlichen Schloßbrand. Haufen
von Reisig und Kleinholz flammten plötzlich auf in dem alten Gemäuer
des Pfälzerschlosses, den Beschauern traten alle Schrecken der Tage Me-
lacs leibhaftig vor die Augen. Es war, als ob die Preußen eine thea-
tralische Aufführung der Schlacht von Jena veranstalteten; in diesem
staatlosen Geschlechte fand es niemand anstößig, die Erinnerung an die
Schmach des Vaterlandes also zu erneuern.
Seit Winter den Gang der Regierung bestimmte, hatte die Stunde
des Rücktritts geschlagen für die beiden hochkonservativen Minister des
alten Großherzogs, für Metternichs Getreuen Berstett und den gestrengen
rheinbündischen Bureaukraten Berckheim. Doch Leopold zögerte und
schwankte. Da gab endlich der schwäbische Nachbar den Ausschlag durch