Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

248 IV. 4. Landtage und Feste in Oberdeutschland. 
der Freiburger Volksmann die Zerreißung seines Vaterlandes; zu ver- 
wundern war es nicht, wenn General Clausewitz und die anderen preußi- 
schen Patrioten ihn einfach für einen Landesverräter hielten. 
Die kleinen Leute von der Presse überboten noch das Vorbild des 
Meisters. Wer diesen Stimmen glaubte, der mußte wähnen, alles Leben 
der Völker gehe nur in den Zeitungen und den Kammerreden auf. Da 
die Preußen von diesem zweifachen Glücke bisher nur wenig besaßen, so 
wurden sie mit grenzenloser Verachtung behandelt, und niemand bemerkte, 
daß der Preuße im täglichen Leben, bei der Niederlassung, bei der Heirat, 
im Gewerbebetrieb, in der Gemeinde ein unvergleichlich freierer Mann war 
als der bureaukratisch gegängelte Süddeutsche. Ein noch ziemlich gemäßigtes 
Blatt, der Stuttgarter Hochwächter, herausgegeben von Lohbauer, faßte 
einmal (9. Jan. 1832) die Grundgedanken dieser konstitutionellen Selbst- 
beräucherung also zusammen: „Ausland heißt in diesem Augenblick den 
konstitutionellen Deutschen jeder Staat, der ein anderes als ein konstitutio- 
nelles Interesse verfolgt. Es klingt hart und scheint die unselige Tren- 
nung Deutschlands verewigen zu wollen, wenn wir sagen, daß wir unsere 
preußischen und österreichischen Stammgenossen als Ausländer betrachten. 
Nachdem wir aber einmal die Worte Deutsch und Konstitutionell für gleich- 
bedeutend genommen haben, so müssen sich's unsere österreichischen und 
anderen Sprachgenossen schon gefallen lassen, wenn wir ihnen die Bruder- 
schaft so lange aufkündigen, bis wir sie auf einem Wege mit uns wandeln 
sehen. Wir sind nun zwar nicht gemeint, daß die Preußen oder Oster- 
reicher von uns mißachtet werden müssen; aber man nehme uns nicht 
übel, wenn wir vorderhand bessere Freunde der Franzosen sind, von denen 
wir Schutz für den Bestand unserer Verfassungen zu erwarten haben.“ 
In Freiburg taten sich die Liberalen sofort nach der Verkündigung 
des neuen Preßgesetzes zu einer Aktiengesellschaft zusammen und gründeten 
„den Freisinnigen“. Die Leitung übernahm für eine Weile der Frei- 
herr von Reichlin-Meldegg, ein katholischer Priester, der um diese Zeit zur 
evangelischen Kirche übertrat und sich der rationalistischen Schule des 
Heidelbergers Paulus anschloß, unzweifelhaft ein ehrlicher Mann, aber 
so platt und abgeschmackt, daß er in guter Gesellschaft höchstens als Spaß- 
macher geduldet werden konnte. Groß war der Jubel, als dies „erste 
Kind der Preßfreiheit“ zur Welt kam. Die Studenten fuhren eine auf 
Atlas gedruckte Nummer des „Freisinnigen“ in feierlichem Zuge durch die 
Stadt. Daran schloß sich das unvermeidliche Festmahl. Eine Abgesandt- 
schaft der Buchdrucker überreichte Welcker — dem Manne, „der die schöne 
Motione macht“, wie man im Ländchen sagte — die gleich unvermeidliche 
Lorbeerkrone. Rotteck rief: „Das in allen zivilisierten Ländern des Erd- 
teils und der Welt ausgebreitete Volk der Freigesinnten, im Gegensatz 
der Herrischgesinnten und Knechtischgesinnten, lebe hoch!“ Dann trank 
ein junger Doktor auf die Gesundheit und das lange Leben eines Vogels,
	        
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