250 IV. 4. Landtage und Feste in Oberdeutschland.
die Belgier, die sich leider nicht hinwegleugnen ließ, erschien diesem Ba—
dener wie eine unbegreifliche Verirrung: „Wäre Arndt nicht ein Mann
des Volkes, so könnte man glauben, dies Buch sei die erkaufte Stimme
eines feilen Kabinettslakaien oder Ministers.“ Das einzige unabhängige
badische Blatt, das sich der Übermacht des Liberalismus entgegenstemmte,
die Mannheimer Zeitung, verspottete mit scharfem Witze Rottecks vernunft-
rechtliche Gemeinplätze und die Selbstüberhebung seiner Genossen; in ein-
zelnen Artikeln verrieten sich die Federn geistreicher Heidelberger Professoren.
Indes zeigte auch diese Zeitung, wie fast alle konservativen Organe des Sü-
dens, deutlich ihre klerikalen Hintergedanken, und schon darum konnte sie
in den protestantischen Landesteilen wenig Ansehen gewinnen.
Nicht minder laut lärmten die Zeitungen in den Nachbarländern. In
Württemberg hatte der Schwäbische Merkur, der namentlich über die deutsche
Handelspolitik sehr verständig urteilte, einen schweren Stand neben der
Masse der neu aufgeschossenen radikalen Blätter. „Kein Ehrenmann wird
sich der Schmach bequemen“ — also stand auf dem Titel des Reutlinger
„Beobachters“ zu lesen neben dem Bilde der Stange mit dem Geßler-
hute. „Der Hauptstrom, auf welchem der allgewaltige Zeitgeist einherfährt,“
flutete natürlich wider den Damm der heiligen Allianz; alle Männer
von Kraft, Mut und festem Willen sollten in dem Beobachter ihren
Sprechsaal finden und zugleich versprach er diesen Tapferen strenge
Geheimhaltung ihrer Namen: — so unantastbar erschien bereits die ent-
sittlichende Anonymität der Presse. Die Rede dieser radikalen Schwaben
klang noch sehr bescheiden neben den Kraftworten der „Zeitschwingen“,
die in Hanau, dicht unter den schadenfrohen Augen des alten Kurfürsten,
von G. Stein herausgegeben und in Frankfurt, zum Schrecken des Bundes-
tags, durch geheime Stafetten verbreitet wurde. Hier ward die un-
bedingte Einheit des Vaterlandes, die Vernichtung aller Staaten und
Staatlein, mochten sie Preußen oder Hessen-Homburg heißen, stürmisch
gefordert, aber auch das angeborene Phlegma des deutschen Michels in
Börnes Weise verhöhnt und die Gesamtheit der konstitutionellen Deutschen
ermahnt, nach dem Beispiele der Polen, des „Musterbildes der Völker“,
den Kampf zu beginnen gegen Preußen: „Ich hasse den Feind; aber den
Heuchlerfreund, den hasse ich nicht, den verachte ich aufs tiefste. Wie Preußen
Deutschland überreden möchte, daß es selber der Schild der Freiheit sei,
so spiegelt es der Welt vor, es wolle den Frieden und das Glück Europas,
während es den nordischen Feind durch seinen Bund zum Herrn unseres
Glücks (ach, unseres Unglücks!) macht.“
Das alles ward aber weit überboten von der urkräftigen Sprache
der Zeitungen in der bayrischen Rheinpfalz. Wieder einmal schuf sich
das zerfahrene politische Leben der Nation für kurze Zeit einen unnatür-
lichen Mittelpunkt: das entlegene pfälzische Grenzgebiet wurde, wie einst
Koblenz in der Zeit des Rheinischen Merkurs, Jena in den Tagen der