Die Sechs Artikel. 271
sich ja unablässig über die polenfreundliche Haltung der Berliner Blätter.
Wie das Preßgesetz in Berlin zu Falle kam, so in Wien der Vorschlag,
die Bundesprotokolle wieder zu veröffentlichen. In einer langen, ängst—
lichen Denkschrift setzte Metternich auseinander, welche Gefahren dem
Bundestage bereitet werden könnten, nicht bloß von Journalen und Flug—
schriften, sondern auch von den falschen Theorien der Lehrbücher. Bern—
storff erwiderte durch Eichhorns Feder: niemals könne der Bundestag
Ansehen gewinnen „solange seine Wirksamkeit etwas Unbekanntes und
eben dadurch den mannigfaltigsten Mißdeutungen ausgesetzt bleibe“; der
den Deutschen „unentbehrliche Nationalsinn“ müsse erschlaffen, wenn sie
nicht einmal ein treues Bild von ihrem gemeinsamen politischen Leben
gewännen; die Wissenschaft des Bundesrechts werde sich in leere Ab—
straktionen verlieren, wenn man ihr allen positiven Stoff entziehe.)
Lauter vortreffliche Gründe, aber wenig geeignet, den Wiener Hof zu über-
zeugen, der ja den „unentbehrlichen Nationalsinn“ der Deutschen als
seinen gefährlichsten Feind betrachtete. Metternich verblieb bei seinem
Widerspruche, und Bernstorff mußte schließlich (18. April 1832) den
Bundesgesandten anweisen, die aussichtslose Sache in Frankfurt vorläufig
ruhen zu lassen.
Im Verlaufe dieser langwierigen Unterhandlungen wurden auch die
Gesandten Bayerns und Württembergs hinzugezogen. König Wilhelm
nahm die Sechs Artikel unbedenklich an; er war längst der Meinung, daß
man der einreißenden Anarchie Halt gebieten müsse. *') Etwas langsamer
entschloß sich der bayrische Hof. Das in München beliebte „Isolierungs-
und Puissancierungssystem“, wie Blittersdorff es nannte, vertrug sich schwer
mit strengen Bundesbeschlüssen; doch da Österreich bestimmt versicherte,
daß man keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Königreichs
beabsichtige, so gab auch Bayern seine Einwilligung.**?*) Nunmehr teilte
Metternich durch ein ausführliches Rundschreiben die Sechs Artikel auch
den übrigen Höfen mit (12. April), und nirgends erhob sich ein Wider-
spruch. Die sächsische Regierung hegte anfangs Bedenken wegen ihres
Staatsgrundgesetzes, ließ sich aber bald beschwichtigenz#f) der Karlsruher
Hof war schon seit Monaten entschlossen, allen Vorschlägen der Großmächte
zuzustimmen, falls sie nur nicht geradeswegs in die badische Verfassung
eingriffen. Unterdessen kam die erschreckende Kunde von dem Hambacher
Feste. Metternich frohlockte über „diesen unerhörten Skandal“; er sah
voraus, jetzt würde die Angst auch die Zaudernden fortreißen, und er
täuschte sich nicht. Nachdem Münch in einem langen Vortrage die Schreck-
*) Beide Denkschriften bei Kombst, der Deutsche Bundestag gegen Ende des Jahres
1832, S. 107 f.
*5) Berichte von Blittersdorff, 9. Jan., von Nagler, 22. Febr. 1832.
*##) Berichte von Blittersdorff, 19. Jan., von Fahnenberg, München, 18. Febr. 1832.
#0 Berichte aus Dresden: von Buch, 19. Mai, Jordan, 1. Juni 1832.