Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

272 IV. 5. Wiederbefestigung der alten Gewalten. 
nisse der „mit starken Schritten ihrer Reife entgegengehenden“ deutschen 
Revolution geschildert hatte, nahm der Bundestag sofort, am 28. Juni 1832 
die Sechs Artikel einstimmig an, nur mit dem einen durch Bayern bean- 
tragten Zusatze, daß die Bundeskommission zur Überwachung der Land- 
tage vorläufig bloß für sechs Jahre eingesetzt werden sollte. 
Am 5. Juli folgte sodann eine mächtige Sturzwelle außerordentlicher 
Sicherheitsmaßregeln, die großenteils auch schon in Wien verabredet waren. 
Alle politischen Vereine wurden verboten, desgleichen alle Volksversamm- 
lungen und Volksfeste ohne besondere Erlaubnis, ebenso die Freiheitsbäume 
und die deutschen Kokarden. Zugleich wurden die Gesetze über die Uni- 
versitäten wieder in Erinnerung gebracht, die Regierungen zu strenger 
Handhabung der Polizei ermahnt, der badische Hof endlich aufgefordert, 
binnen vierzehn Tagen sein bundeswidriges Preßgesetz außer Kraft zu setzen. 
In den nächsten Wochen verbot der Bundestag, auf Grund des Karls- 
bader Preßgesetzes, den Wächter am Rhein, den Freisinnigen, Rottecks 
Annalen, Mebolds Deutsche Allgemeine Zeitung, nachher die Biene des 
sächsischen Bienenvaters und so weiter, bis schließlich nahezu alle ent- 
schiedenen Oppositionsblätter vernichtet waren. Den namhaftesten Publi- 
zisten der süddeutschen Liberalen, Wirth, Siebenpfeiffer, Rotteck, Stromeyer, 
Mebold und anderen ward untersagt, binnen der nächsten fünf Jahre 
eine Zeitschrift herauszugeben. 
Die Karlsbader Schreckenstage schienen wiederzukehren, und stärker 
noch als damals war die Erbitterung in den gebildeten Klassen. Nun 
hatte auch Deutschland seine Juniordonnanzen! — so hieß es überall. 
Die liberale Presse des Südens benutzte die kurze ihr noch vergönnte 
Galgenfrist, um die volle Schale ihrer Entrüstung über den Bundestag 
und die beiden Großmächte auszuschütten. Die deutschen Kleinstaaten — 
so rief der Freisinnige — sind Knechte der Knechte; „verwischt für immer 
ist jede achtungsvolle Erinnerung an Österreichs Erhebung im Jahre 1809 
und an jene Preußens im Jahre 1813.“ Auch jene gemäßigten nord- 
deutschen Liberalen, welche das lärmende Treiben der Pfälzer entschieden 
mißbilligten, erschraken über die Härte der hereinbrechenden Reaktion; 
Dahlmann meinte traurig: „es schwebt einmal ein Unglücksstern über 
allem, was deutsch ist.“ 
Unleugbar war die Ruhe Deutschlands diesmal weit ernstlicher 
bedroht, als in den Zeiten der burschenschaftlichen Bewegung; der Bund 
hatte bessere Gründe zum Einschreiten und ging auch nicht, wie damals, 
über die Schranken des formalen Rechtes hinaus. Die Sechs Artikel 
waren kein Ausnahmegesetz, wie die Liberalen behaupteten, sie enthielten 
im wesentlichen nur die authentische Interpretation bestehender Bundes- 
gesetze. Wurden sie gerecht und verständig angewendet, so widersprachen 
sie auch nicht den Landesverfassungen, denn kein deutsches Staatsgrund- 
gesetz — mit der einzigen Ausnahme des neuen kurhessischen — gewährte
	        
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