Reaktion in Kurhessen. 279
der Meinung gelangen, daß die Höfe mit deutscher Redlichkeit ein frevel—
haftes Spiel trieben.
Alle anderen konstitutionellen Fürsten außer jenen fünf veröffentlichten
die Bundesbeschlüsse ohne Vorbehalt. Der hessische Mitregent benutzte
zugleich den willkommenen Vorwand, um sich seiner Stände für einige Zeit
zu entledigen. Die Aufregung der letzten Jahre zitterte in dem unglück—
lichen Lande noch zuweilen nach. Bei den üblichen Polenfesten erklangen
stürmische Pereats auf die drei Ostmächte; in Hanau meuterten einmal
sogar die Soldaten, unter Hochrufen auf Frankreich und Polen; die deutschen
Farben sah man überall, auf Fahnen und Kokarden, auch auf den Schnupf—
tüchern der Handwerksburschen. Immerhin ließ sich schon deutlich erkennen,
daß die Hessen der ewigen Unruhen müde wurden; auch die Freude an
dem zeitraubenden Soldatenspiele der Bürgergarden erkaltete sichtlich. Der
Kurprinz aber und sein Hassenpflug verbargen kaum, daß sie einen Streit mit
den Landständen und dann den Einmarsch preußischer Truppen wünschten.
Je näher Hänlein den Charakter dieses Fürsten kennen lernte, um so klarer
ward ihm, „daß dem Kurprinzen weder zu raten noch zu helfen ist, und
daß er bei seiner Eintagspolitik seinem unvermeidlichen Schicksal nicht ent-
gehen wird.“*) Es war allein die Schuld des Regenten, daß der Landtag
in einer Tagung von sechzehn Monaten nur ein einziges wohltätiges Gesetz
zustande brachte: das Gesetz über die Ablösung der Reallasten und die
Bildung einer Landeskreditkasse. So tat Kurhessen endlich den ersten
Schritt auf der Bahn der befreienden Agrargesetzgebung, die in den Nach-
barstaaten längst betreten war. Fast alles aber, was die Stände sonst noch
beantragten, blieb im Kabinett unerledigt liegen, und allerdins erschwerte
Jordan mit seinen Freunden jede Verständigung durch Übermut und
unmögliche Zumutungen. Der begeisterte Doktrinär gebärdete sich, als
ob Kurhessen auf einer Insel im Weltmeere läge: niemals, rief er stolz,
wird unser Landtag die Rute des Bundestags küssen! Vergeblich gewarnt
von den Gesandten der beiden Großmächte, betrieb er mit Feuereifer die
Beratung eines Preßgesetzes — eben jetzt, da der Bundestag so handfest
gegen die Zeitungen vorging und die Vernichtung des badischen Preßge-
setzes, wie jedermann wußte, nahe bevorstand. Als die Stände dann
über diehessische Preßfreiheit schlüssig geworden, versicherte Burkard Pfeiffer
drohend: die Regierung müsse diesen Entwurf alsbald genehmigen, „wenn
anders nicht das feierlich gegebene Fürstenwort nur als leere Form, der
wiederholte Schwur der Minister nur als Gaukelspiel mit zerbrechlichen
Eiden erscheinen soll.“
So erbittert standen die Parteien einander gegenüber, als die neuen
Bundesbeschlüsse ruchbar und gleich darauf vom Kurprinzen amtlich ver-
kündigt wurden. Die Stände tobten. Während Pfeiffer in schwungvoller
*) Hänleins Berichte, 25. Febr., 13. März 1832.