Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

284 IV. 5. Wiederbefestigung der alten Gewalten. 
zurunden hoffte. Da schlugen die Pächter und Bauern Lärm, denn der 
Koburger stand keineswegs in dem Rufe eines milden Grundherrn, und 
der Merseburger Regierungspräsident von Rochow erklärte dem Könige 
freimütig: die Abtretung von Domänen werde im Lande allgemeine Un- 
zufriedenheit erregen. Gleich ihm dachten die Räte des Finanzministeriums; 
sie fanden es gar zu großmütig, daß man mehrere der schönsten Land- 
güter der Provinz Sachsen dahingeben sollte für „die Lappländer am 
Hunsrück“, wie L. Kühne die armen Lichtenberger nannte; zudem dienten 
die Domänen als Unterpfand für die Staatsschuld, der Staatshaushalts- 
plan war auf ihren wachsenden Ertrag berechnet. Auch der Kronprinz 
schloß sich den Widersprechenden an; von Domänenverkäufen wollte er 
grundsätzlich nichts hören, da nach der Hallerschen Staatslehre die mon- 
archische Gewalt auf dem Besitze eines reichen Kammergutes ruhen sollte. 
Nach langwierigen Verhandlungen erwiderte der König endlich, daß er nur 
eine sehr hoch bemessene Geldentschädigung leisten könne. Herzog Ernst 
stimmte zu; nur wünschte er das Geschäft verdeckt zu halten, damit man 
ihm nicht nachsage, daß er seine Untertanen für Geld verkaufe.) 
Darum erhielt der am 31. Mai 1834 abgeschlossene und im nächsten 
Monate von beiden Teilen genehmigte Abtretungsvertrag eine vieldeutige 
Fassung. Dem Herzog ward eine Entschädigung zugesagt, welche ihm nicht 
nur eine Rente von 80 000 Talern gewähren, sondern ihn „zugleich in 
den Stand setzen sollte, teils durch ÜUbernahme preußischer Domänen, 
teils durch Ankauf anderer Güter ein Grundeigentum zu erwerben“. 
Auf Grund dieser sehr unbestimmten Zusage bemühte sich der Herzog 
nunmehr jahrelang um den Ankauf schlesischer oder posenscher Domänen; 
doch immer wieder trat ihm das preußische Finanzministerium entgegen. 
Mit dem Tode Friedrich Wilhelms III. verschwand die letzte Aussicht, da 
sein Nachfolger den ganzen Handel mißbilligte, und erst im Jahre 1843 
beruhigte sich Koburg, nach vollständiger Auszahlung des ausbedungenen 
Kaufpreises. Kaufmännisch betrachtet, war das Geschäft für die welt- 
erfahrenen Verwandten Leopolds von Belgien recht erfreulich ausgefallen: 
sie erhielten 2,1 Mill. Tlr. in Staatsschuldscheinen für ein Land, dessen 
bisherigen Ertrag die preußischen Finanzbeamten auf 45000 Tlr., einige 
gar nur auf 30000 Tlr. schätzten.“)" Also verschwand das Fürstentum 
Lichtenberg, dessen nationales Selbstbestimmungsrecht den Polen, Franzosen 
und Süddeutschen so viel Sorgen bereitet hatte, als Kreis St. Wendel in 
  
*) Herzog Ernst an K. Friedrich Wilhelm, 18. Juni 1832. Denkschriften von 
Präsident von Rochow, 12. September 1833, von Stägemann, 29. Juni 1834. König 
Friedrich Wilhelm an Herzog Ernst, 5. März; Antwort 14. April 1834. 
*“.) Finanzminister Graf Alvensleben an General Thile, 19. Jan. 1841. Denk- 
schrift des Finanzministeriums über die koburgische Entschädigung, Juni 1843. Die 
Erzählung des Herzogs Ernst II. (Aus meinem Leben I. 100) wirft Wahres und Falsches 
durcheinander.
	        
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