Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

302 IV. 5. Wiederbefestigung der alten Gewalten. 
die nächsten Tage lehrten, daß dieser Aufruhr doch nicht bloß ein jugend- 
liches Torenspiel war, sondern mit den internationalen Aufstandsplänen der 
polnischen Flüchtlinge irgendwie zusammenhing. Am 7. April zogenwirklich, 
der Abrede gemäß, 300 Polen aus Besancon in die Schweiz, und nur 
die Unglücksbotschaften aus Frankfurt verhinderten sie, ihren Marsch nach 
Baden fortzusetzen; zur selben Zeit brach eine Schar Aufständischer aus 
Galizien in das russische Polen ein, und gleich darauf wurde in Piemont eine 
gefährliche Soldatenverschwörung unterdrückt, welchedem polnischen General 
Ramorino schwerlich unbekannt war. 
Der tolle Streich der Radikalen eröffnete einer neuen Zeit politischer 
Verfolgung die Tore. Ancillon schrieb sofort nach Wien: „Das Frank- 
furter Attentat kann Deutschland retten, wenn man sich beeilt, das Ereignis 
auszubeuten.“) Münch und Nagler erhielten umfassende Vollmachten, 
und nachdem sie zurückgekehrt, beschloß der Bund am 30. Juni, abermals 
eine Zentralbehörde für die politischen Untersuchungen einzusetzen. Sie 
sollte in Frankfurt selbst ihren Sitz haben; Österreich, Preußen, Bayern, 
Württemberg und Darmstadt ernannten die fünf Mitglieder, Kurhessen 
und Nassau die beiden Stellvertreter. Sachsen und Baden wurden ab- 
sichtlich übergangen, weil sie im Geruche liberaler Gesinnung standen. So 
schien denn der ganze Jammer der alten Mainzer „schwarzen Kommission“ 
sich zu erneuern; auch zwei ihrer Mitglieder, der Osterreicher Wagemann 
und der Hesse Preuschen traten wieder ein. Halb befriedigt, halb besorgt 
meinte Blittersdorff: wir haben seit 1832 ungeheure Rückschrittegemacht) 
Gleichwohl ließ sich leicht bemerken, daß selbst der Bundestag der ver- 
wandelten Zeit einige Zugeständnisse hatte gewähren müssen. Die Mittel- 
staaten, Bayern voran, wollten dem Bunde unmittelbare Eingriffe in ihre 
Rechtspflege nicht mehr gestatten, und die Großmächte wagten den Stolz 
der Bundesgenossen nicht zu reizen.**“) Darum erhielt die neue Zentral- 
behörde weit geringere Befugnisse als die alte; sie durfte nicht selbst Unter- 
suchungen führen, sondern nur von den Untersuchungen in den Einzel- 
staaten Kenntnis nehmen. Ganz so gehässig und verfolgungssiüchtig wie 
einst die Mainzer Kommission wagte sie nicht aufzutreten. 
Zugleich mußte die Bundesversammlung für ihre eigene Sicherheit 
und für die Bewachung der Gefangenen sorgen. Nach allem, was man 
von dem Frankfurter Senate und seiner Kriegsmacht hatte erleben müssen, 
wurde die Übersiedlung des Bundestages in eine besser behütete Stadt 
ernstlich erwogen; König Ludwig wünschte lebhaft den würdigen Nachfolger 
des alten Reichstags in seinem Regensburg als Nachbarn der neuen Wal- 
halla aufzunehmen. Die Verhafteten wollte Preußen der Sicherheit halber 
  
*) Ancillon, Weisung an Maltzahn, 25. April 1833. 
**) Blittersdorffs Bericht, 4. Juli 1833. 
*?„) Ancillon, Weisung an Maltzahn, 25. Juniz Blittersdorffs Bericht, 18. Juni 1833.
	        
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