Büchner. Pückler-Muskau. Ch. Stieglitz. 435
Innigkeit, die verhaltene Leidenschaft des Volkslieds ließ er gelten. Als
er in seiner Novelle „Lenz“ die Lieblingszeit der Jungdeutschen, die Epoche
der Stürmer und Dränger behandelte, verschmähte er jede Tendenz und
erzählte mit grausamer Wahrhaftigkeit, mit einem unheimlichen kongenialen
Verständnis, wie der stille Wahnsinn Herr ward über den Jugendfreund
Goethes. Noch ehe das Gedicht vollendet war, starb er plötzlich, im Fe-
bruar 1836, wenige Tage nach Börnes Tode, und der an Talenten so
arme deutsche Radikalismus versäumte nicht, sich mit diesem Namen zu
brüsten. Der junge Herwegh besang Büchner und Börne als die deut-
schen Dioskuren.
Gleich Büchner hing auch Fürst Pückler-Muskau nur mittelbar mit
dem Jungen Deutschland zusammen, mehr durch die Verwandtschaft der
Gesinnung, als durch persönlichen Verkehr. Indes hatte er im Salon der
Rahel seine Gabe liebenswürdiger Plauderei zum Virtuosentum ausge-
bildet, und auf Varnhagens Rat ließ er die Briefe eines Verstorbenen
erscheinen, eine geistreiche Reisebeschreibung, die den Jugendschriften Gutz-
kows oder Laubes weit überlegen war; denn der vornehme Weltmann
hatte vieles wirklich erlebt, was jene nur erkünstelten, er sagte über die
Heuchelei der englischen Sitten manches treffende Wort, auch der leichte
spöttische Ton seiner anmutigen Erzählung entsprach seinem Charakter, und
selbst die Sprachmengerei, die er sehr weit trieb, klang bei ihm nicht so
unnatürlich wie bei den jungdeutschen Plebejern, weil die aristokratische
Gesellschaft in der Tat noch in solchem Kauderwelsch zu reden pflegte.
Als vorurteilsfreier Weltbürger, als Verächter der langweiligen ehrbaren
Mittelklassen, insbesondere des preußischen Beamtentums, wurde der
Fürst anfangs von den Kritikern des Jungen Deutschlands willkommen
geheißen. Auf die Dauer konnte er dem Fluche des Dilettantismus doch
nicht entgehen. Da er die Feder nur mit läßlicher Geringschätzung führte,
so schrieb er sich bald aus; seine wunderbaren Reiseabenteuer in aller
Herren Länder, die wahren wie die erfundenen, verschafften ihm für kurze
Zeit einen Weltruf, schließlich begannen die Leser der Weltgänge Semi-
lassos und seiner zunehmenden Blasiertheit selber müde zu werden. Was
er von schöpferischer Kraft besaß, das zeigte er als Meister der Garten-
kunst in den herrlichen Parkanlagen seiner Schlösser Muskau und Branitz.
Der Zank vor Schleiermachers Grabe war noch nicht verstummt,
da rief ein neuer Todesfall die Kämpen des Jungen Deutschlands schon
zu neuen Taten auf. Im Dezember 1834 erdolchte sich Charlotte, die
schöne hochsinnige Gattin des jungen Poeten Heinrich Stieglitz; in einigen
hinterlassenen Zeilen sprach sie dem Gatten den Wunsch aus, er möge
„glücklicher werden im wahrhaften Unglück“, sie schien zu hoffen, der un-
geheure Schmerz würde ihm das dichterische Vermögen, die tragische Leiden-
schaft stärken. Wer sich auf Weiberherzen verstand, konnte diesen Selbstmord
kaum rätselhaft finden. Heinrich Stieglitz zählte zu jenen bedauerns-
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