Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

438 IV. 7. Das Junge Deutschland. 
wie Gustav Schwab mit liebenswürdiger Bescheidenheit sagte. Unter dem 
jungen Nachwuchs, der sich um die beiden Patriarchen Uhland und Kerner 
scharte, besaß nur einer, Eduard Mörike, die wundersame Gabe, alles 
durch den Glanz der Poesie zu verklären; aber auch den beiden Pfizer, 
auch Schwab und Karl Mayer gelang in guten Stunden zuweilen eine 
frische Ballade, ein geistvolles Sinngedicht oder ein wohlgestimmtes Natur- 
bild, und sie alle betrachteten die Poesie nicht, wie die weltschmerzfrohen 
Jungdeutschen, als einen quälenden Fluch, sondern als eine lichte Himmels- 
gabe, die den Dichter selbst beglücken und ihn befähigen sollte, auch andere 
beglückend über das Wirrsal des Lebens emporzuheben. Fröhliche Stunden, 
wenn die schwäbischen Poeten beim Schoppen zusammensaßen und die beiden 
jungen österreichischen Dichter Lenau und Auersperg oder die Gebrüder 
Adolf und August Stöber aus Straßburg, die tapferen Vorkämpfer deutscher 
Sprache und Dichtung in der verwelschten Westmark, zum Besuch herüber- 
kamen. Hier war deutsches Leben, deutsche Kunst und Laune; wie prosaisch 
erschien daneben die Betriebsamkeit der Gedankenverfertiger am Teetisch der 
Rahel oder gar das alberne Grisettengekicher bei Heines kleinen Diners. 
Darum hielt sich Gustav Pfizer berechtigt, im Namen der deutschen 
Kunst gegen Heine und seine Gefolgschaft zu Felde zu ziehen. In seinem 
poetischen Schaffen war er sehr ungleich, die spröde Form wollte sich dem 
reichen Gedankengehalt der meist betrachtenden Gedichte nicht immer fügen, 
nur einzelne seiner Gestalten, wie der Hermes Psychopompos, traten „ewig 
schön und ewig heiter“ vor das Auge des Lesers; doch er besaß ein sicheres, 
durchgebildetes Verständnis für das Schöne, und niemand durfte den 
Bruder Paul Pfizers, den erklärten Liberalen, des politischen Parteihasses 
beschuldigen, als er in Cottas neuer Deutschen Vierteljahrsschrift (1838) 
die ästhetischen Sünden des Jungen Deutschlands mit würdigen, gemessenen 
Worten schonungslos aufwies. Was sei die gerühmte reizende Verwirrung 
des Heineschen Feuilletonstiles denn anders als ein läppischer Versuch, die 
längst durch Lessing festgestellten Grenzen von Poesie und Prosa wieder 
einzureißen? und was anders als die Zerstörung aller Schönheit müsse 
erfolgen, wenn die jungen Poeten sich im Wetteifer die Haare zurückstrichen, 
um ihre Faunenohren und Satyrshörner recht zu zeigen? Ganz Schwaben 
stimmte ihm zu. Selbst der junge Asthetiker Vischer, ein hitziger Radi- 
kaler in Politik und Religion, wollte den gesunden Schönheitssinn seines 
Stammes nicht verleugnen und sprach ehrlich aus, solche Werke der Re- 
flexpion wie die Novellen von Gutzkow oder Laube seien überhaupt keine 
Poesie. Es war das Verdienst der Schwaben, daß das Junge Deutsch- 
land niemals in unserem Oberlande Fuß faßte, sondern immer nur ein 
Sumpfgewächs der großen Städte des Nordens blieb. Und dieser sieg- 
reiche Widerstand der nationalen Empfindung gegen die jüdisch-französische 
Zwitterliteratur ging von demselben liberalen Süden aus, der die poli- 
tischen Heilslehren der Franzosen so willig aufnahm. Daraus ergab sich
	        
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