Einschreiten des Bundestags. 139
die tröstliche Gewißheit, daß auch das politische Welschtum diesen kern-
deutschen Stämmen doch nur die Haut geritzt hatte, und der deutsche Geist
die konstitutionellen Ideen dereinst noch umgestalten würde. Aber wer hätte
damals solche Hoffnungen aussprechen können? Alle Welt suchte ja noch
die Stärke der Süddeutschen da, wo ihre Schwäche lag, in dem welschen
Wortgepränge ihrer Kammern.
Da Menzels Literaturblatt wegen seiner hochkirchlichen Richtung in
den konservativen Kreisen viel gelesen wurde, so erregte sein Angriff an
den Höfen großes Aufsehen und beschleunigte das schon längst beabsichtigte
Einschreiten des Bundestags. Unglücklicherweise hatte Wienbarg, als er
den Namen des Jungen Deutschlands aufbrachte, nicht gewußt oder nicht
bedacht, daß bereits ein anderes Junges Deutschland bestand, jener revo-
lutionäre Geheimbund von Flüchtlingen und Handwerksburschen, der mittler-
weile in der Schweiz unter Mazzinis Oberleitung entstanden war.“) Dies
Junge Deutschland war den Frankfurter Demagogenverfolgern nur zu wohl
bekannt, und wie nahe lag doch der allerdings ganz grundlose Verdacht, daß
die beiden gleichnamigen Verbindungen irgendwie zusammenhängen müßten.
Eben jetzt war der ruchloseste der zahlreichen Mordanschläge gegen Ludwig
Philipp mißlungen. Die Höllenmaschine Fieschis verbreitete Schrecken in
ganz Europa;z strenger denn je wurden die Umtriebe der Demagogen über-
wacht. Da forderten Wienbarg und Gutzkow durch ein großsprecherisches
Manifest alle freigesinnten Schriftsteller Deutschlands auf, mitzuwirken bei
einer Deutschen Revue, welche Schillers Horen und die Revue des deux
Mondes zugleich überbieten sollte. Wie hätte der Deutsche Bund nach allem,
was er gegen die politische Presse getan, dies Unternehmen dulden können?
Der neue preußische Bundesgesandte General von Schöler, ein Kenner der
Literatur, gab dem Bundestage eine wenig schmeichelhafte, aber treffende
Schilderung von dem Charakter dieser neuen Literatur, die im Grunde
nur die Lehren der Enzyklopädisten wiederhole, doch „den Mangel an
wahrem Witz und an Neuheit der Gedanken durch Gewandtheit des Aus-
drucks und freche Verhöhnung des Heiligsten zu ersetzen verstehe.“ Am
11. Dez. 1835 übernahmen sodann, auf ÖOsterreichs Antrag, alle Re-
gierungen die Verpflichtung, die Verbreitung der Schriften des Jungen
Deutschlands mit allen gesetzlichen Mitteln zu verhindern.““) Der Beschluß
war nach Bundesbrauch wieder so unbestimmt gehalten, daß Hannover
einige Monate nachher anfragte, ob denn wirklich alle Schriften der Jung-
deutschen, auch die älteren, verboten werden sollten. Schöler erwiderte, so
schlimm sei es nicht gemeint; aber ein erläuternder Beschluß kam nicht zu-
stande.)
Also blieb alles den Einzelstaaten überlassen, und diese verfuhren
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*) S. o. IV. 296.
*) Schölers Berichte, 3. Nov. 1835 ff.
s7) Schölers Bericht, 18. April 1836.