Der Carlistenkrieg. 503
einem englischen Kriegsschiffe nach London abgeführt, und die Briten er-
wiesen ihm sogar die Gefälligkeit, einen geheimen Brief an seine Getreuen
in den baskischen Provinzen pünktlich zu besorgen. In London fand
König Karl V. bei den fast durchweg carlistisch gesinnten Torys warme
Huldigung und geheime Hilfe. Palmerston aber ließ ihn ohne jede Be-
dingung frei, der unschuldige Lord meinte: „wir können ihn nicht als Ge-
fangenen behandeln.“ Nach wenigen Tagen war Don Carlos verschwunden,
wie alle Welt voraussah. Er reiste ohne Gefährde durch Frankreich; denn
dort spielten die Anhänger Karls X. und Karls V. längst unter einer
Decke, auf jedem Paßbureau, auf jeder Poststation saßen geheime car-
listische Agenten.
Am . Juli erschien er plötzlich an der einzigen Stelle, wo er eine Macht
war, unter seinen Getreuen in Navarra, denen er durch seinen Brief aus
Elvora schon seine bevorstehende Ankunft mitgeteilt hatte. Das ganze
Spiel war eine plumpe Fastnachtsposse, und nur die Taubenunschuld der
deutschen Liberalen konnte glauben, daß Palmerston die Rückkehr des Prä-
tendenten, die Verlängerung des spanischen Bürgerkrieges wirklich nicht ge-
wünscht hätte. Als Heerführer völlig untauglich, war Don Carlos doch
Mannes genug, um die Strapazen und Nöte seiner Leute als ehrlicher
Kriegsmann zu teilen, und dies genügte dem schlichten Naturvolke der
Pyrenäen; die Anwesenheit des legitimen katholischen Königs erfüllte die
Heerscharen der Carlisten mit flammender Begeisterung.
Welch ein Verhängnis, daß die fleißigsten, schönsten, liebenswür-
digsten Bewohner der Halbinsel, die einzigen, die nach europäischer Weise
den Fremdling menschenfreundlich aufnehmen, daß gerade dies edle Basken-
volk in den Kampf für die Priesterherrschaft hineingezwungen wurde. Ihres
blauen Blutes froh schauten die Basken von alters her mit der gleichen
Verachtung auf die Franzosen wie auf die Kastilianer hernieder; unter dem
Schutze ihrer uralten Fueros führten sie ein Sonderleben, das von spani-
schen Beamten, Steuern, Zöllen unbehelligt blieb, und nun sollten die
Sonderrechte der vier baskischen Provinzen durch die neue liberale Ver-
fassung, welche die Königin-Regentin im April 1834 verkündigen ließ, mit
einem Schlage vernichtet werden. Wie ein Mann erhob sich das baskische
Volk für seine Fueros und den rechtmäßigen König, der sie bestätigt hatte;
sieben entsetzliche Jahre hindurch widerstand diese halbe Million freier
Menschen der vereinigten Macht Spaniens und seiner geheimen Verbün-
deten. Eine Zeitlang nahmen auch die Aragonier und die Katalanen an
dem Kampfe teil; sie konnten es nicht verwinden, daß die Kastilianer der
Coronilla von Aragon so oft ihre Geringschätzung bezeigten. Doch die Hoch-
burg des Carlismus blieb das tapfere Baskenland, und der einzige große
Charakter, der sich aus dem fürchterlichen Einerlei dieses Gemetzels empor-
hob, Zumalacarreguy war ein Baske. Abermals erlebte unser bildungs-
stolzes Jahrhundert einen Krieg, dessen teuflische Grausamkeit dem Agon der