Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Die Heirat des Herzogs von Orleans. 517 
der soeben in Schwerin die Regierung angetreten hatte. Der Stolz des 
mecklenburgischen Hauses, das schon fünf Königinnen unter seinen Töchtern 
zählte, sträubte sich lange. Da ließ der König seinem Schwiegersohne durch 
Graf Lottum vorstellen: seinen persönlichen Gefühlen wolle er nichts vor- 
schreiben, aber die Heirat aus politischen Gründen auszuschlagen, sei ein 
Fehler; bis jetzt habe die Diplomatie „mit Glück dahin gewirkt“, Ludwig 
Philipp zu den konservativen Mächten hinüberzuziehen; weise man die 
Werbung ab, so erbittere man ihn und noch mehr den reizbaren Thronerben, 
eben dies wünschten die deutschen und die polnischen Revolutionäre.“) Hier- 
auf wurde Minister Kamptz als Rechtsrat nach Schwerin gesendet, und 
wie gänzlich umgewandelt erschien dort plötzlich dieser gestrenge Royalist, 
der sich kürzlich für sein altes Wappen die neue Devise: Regi et principio 
conservativo gewählt hatte. Der Befehl seines Königs und der Wunsch, 
dem angestammten mecklenburgischen Hause neuen Glanz zu verschaffen, 
bezauberten ihn völlig. In einer vertraulich verbreiteten Schrift stellte 
er Rechtssätze auf, die, an sich unhaltbar, in seinem Munde ganz unge- 
heuerlich klangen: er suchte die Quasi-Legitimität der Orleans zu beweisen, 
da Ludwig Philipp ein legitimes Thronfolgerecht besessen habe, aber 
freilich noch nicht an der Reihe gewesen sei. 
Dawider erhob sich der ehrliche alte Strelitzer Minister Aug. von 
Oertzen.) Der weilte, auf den Tod erkrankt, in Berlin und konnte nicht 
ruhig sterben, ehe er sein Fürstenhaus gewarnthatte. „Schon im Privatleben“, 
sagte er nach seiner patriarchalischen Weise, „entschließt man sich nicht, den 
Genuß sogenannter Glücksgüter zu teilen, wenn die Rechtmäßigkeit ihrer 
Erwerbung irgend zweideutig erscheint.“ Er widerlegte die Behauptungen 
Kamptz' in einer geharnischten Denkschrift, die er ebenfalls unter der Hand 
bei Hofe verbreiten ließ. „Bisher“, so äußerte er, „haben Legitimität und 
Revolution nur nebeneinander bestanden, sie haben sich gegenseitig ge- 
duldet und äußerlich miteinander Frieden gehalten; hinfort werden sie sich 
miteinander vermischt und vermählt haben.“ Daß des Königs Schwager 
bei dieser Arbeit irgendwie beteiligt war, galt für sicher; in der diplo- 
matischen Welt hielt man ihn sogar für den eigentlichen Verfasser. Herzog 
Karl verhehlte seine Entrüstung über den Heiratsplan nicht; „er wäre in 
seiner Wut bald zum Teufel gefahren,“ so meinte Wittgenstein, der selber 
den Befehlen des Königs unbedingt folgte. Darauf antwortete Kamptz durch 
bissige „Anmerkungen“, die sich auf das Beispiel der Wasas, der Welfen, 
Wilhelms III., Napoleons beriefen und den Verfasser der Denkschrift mit 
der äußersten Geringschätzung behandelten. “) Der Streit zwischen den 
höchsten Würdenträgern der Monarchie wurde sehr ärgerlich. Herzog Karl 
*) Lottum, Promemoria über die mecklenburgische Heirat, 28. Jan. 1837. 
½) E. o. III. 571. 
*“) „Bemerkungen“, mecklenburgische Denkschrift, mit „Anmerkungen“ von Kamptz 
(l#ithographiert, Frühjahr 1837). 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.