Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Brenn. Rochow. Alvensleben. 543 
und mancher der vorüberwandelnden Bürger warf dem stadtbekannten 
Freiheitshelden bewundernde Blicke zu. Mitten zwischen den beiden, im 
ersten Stockwerk, hauste der alte Stägemann, der, selber von den Polen— 
freunden arg verleumdet, im königlichen Kabinette immer bemüht war, 
jede Verfolgung von den Liberalen abzuwenden; wer noch auf die humane 
alte Berliner Bildung hielt, freute sich an dem edlen Greise, und zum 
Jubelfeste brachte Chamisso „dem Kanzler und dem Sänger gleich im 
Einen“ seine Huldigung dar. Nach kaum vier Jahren mußte Brenn 
zurücktreten. Sein Nachfolger wurde G. A. R. von Rochow, ein konser- 
vativer Aristokrat, der einst die altständischen Anschauungen lebhaft ver— 
teidigt ?), nachher in der Selbstverwaltung der Provinzialstände und als 
Staatsbeamter ein ungewöhnliches Verwaltungstalent betätigt und man- 
ches Vorurteil abgestreift hatte; er zeigte sich als tüchtiger Fachminister, 
erwarb sich namentlich um das Gefängniswesen große Verdienste und genoß 
in den ersten Jahren allgemeiner Anerkennung, jedoch über die bequemen 
alten Herren Lottum, Wittgenstein, Altenstein vermochte der kräftige, jüngere 
Amtsgenosse nichts. 
Auch an dem neuen Finanzminister fand er keine feste Stütze. Als 
Maassen starb, wurde im Publikum der unermüdliche Unterhändler der 
Zollvereinsverträge, Kühne allgemein als der gegebene Nachfolger betrachtet. 
Er stand aber am Hofe des Kronprinzen im Rufe eines Jakobiners, weil 
er gegenüber den Ansprüchen der Mediatisierten sehr scharf für das Recht 
der Staatseinheit eingetreten war, und hatte auch sonst, dank seiner 
scharfen Zunge, zahlreiche Feinde. Nach langen Erwägungen fiel die Wahl 
des Königs auf den Grafen Alvensleben, denselben, der soeben auf den 
Wiener Konferenzen den Minister des Auswärtigen vertreten hatte. Für 
sein neues Amt war Alvensleben keineswegs geeignet. Er hatte bisher 
dem Finanzwesen fern gestanden und besaß weder das Talent noch den 
Fleiß, um sich in ein neues Fach einzuarbeiten. Wie die meisten Edel- 
leute der Altmark, hegte er ein stilles Mißtrauen gegen die liberalen Be- 
amten, die mit ihrer Zollvereinspolitik das gewohnte Getriebe altpreußischer 
Sparsamkeit so bedenklich störten. Daher sah sich Kühne aus der Ver- 
trauensstellung, die er unter Motz und Maassen behauptet hatte, bald 
hinausgedrängt. Subalterne Naturen, wie der Generalsteuerdirektor 
Kuhlmeyer und der Geh. Rat Offelsmeier waren dem neuen Minister 
bequemer; sie bestärkten ihn auch in seiner Scheu vor der Offentlichkeit. 
Wie oft war Motz, schon als Oberpräsident, gegen den Unfug der sum- 
marischen, nur auf Grund zweifelhafter Vermutungen zusammengestellten 
Budgets aufgetreten."*) Noch kurz vor seinem Tode hatte er durch ein 
freimütiges Rundschreiben die anderen Minister aufgefordert, ihm jetzt 
  
*) S. o. III. 227. 
**) Motz an Lottum, 21. Dez. 1824.
	        
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