Flottwell und Grolman in Posen. 557
preußische Langmut zu Ende. Dahin waren jene hoffnungsvollen Tage,
da die deutschen Beamten mit den polnischen Edelleuten sich in dem gast-
freundlichen Hause des Fürsten-Statthalters harmlos zusammengefunden
hatten. Fürst Radziwill fühlte selbst, wie gänzlich er sich über die Gesin-
nungen seiner Landsleute getäuscht; er legte seine Statthalterwürde nieder
und starb bald darauf. Fortan war der Oberpräsident der alleinige höchste
Vertreter der Staatsgewalt, und auf dies wichtige Amt berief der König
den tapferen Mann, der dem preußischen Namen in den Landen des
weißen Adlers zuerst ein festes Ansehen verschaffen sollte. Oberpräsident
Flottwell war in Ostpreußen geboren, zu Königsberg in der Schule von
Kant und Kraus erzogen und hatte dann unter Schöns Leitung in der
altpreußischen Verwaltung die Polen gründlich kennen gelernt. Aufrichtig
sprach er aus, das alte System der Nachsicht und der Zugeständnisse
habe sich überlebt, der Adel und der Klerus seien Preußens geschworene
Feinde;z nicht die Liebe, nur die Achtung der Polen könne sich eine deutsche
Regierung erwerben; dies werde ihr gelingen, wenn sie ohne Ungerechtig-
keit die deutsche Kultur fördere und damit die menschliche Gesittung der
Provinz hebe. Nicht frei von der Leidenschaftlichkeit seines edlen Stam-
mes, urteilte er doch milder, billiger als sein Lehrer Schön. Er wollte
strenge Gesetze für die meuterische Provinz, aber mit „sorgfältiger Rück-
sicht“ auf die bestehenden Verhältnisse; denn der Mangel an einer solchen
Rücksicht bringt die Regierung in die Lage, von den gegebenen Vorschriften
abzuweichen und sich dadurch den gerade in dieser Provinz sehr gefähr-
lichen Vorwurf der Inkonsequenz und Schlaffheit in der Verwaltung zu-
zuziehen“.) Durch seinen furchtlosen Freimut hatte er sich das persön-
liche Vertrauen des Königs und des jungen Prinzen Wilhelm erworben.
Da alle Slawen jene beiden Tugenden, welche ihnen selbst die Natur
versagt hat, Gradsinn und Festigkeit, mit stiller Ehrfurcht betrachten, so
kam er im persönlichen Verkehre selbst mit den polnischen Edelleuten leid-
lich aus, obgleich sie in ihm ihren politischen Todfeind sahen.
Die Deutschen und die polnischen Bauern verehrten ihn als ihren
Beschützer, und mit ihm seinen Freund, den kommandierenden General
Grolman, der von den Polen fast noch grimmiger gehaßt wurde. Grol-
mans freiem Heldensinne waren die Untreue und die Undankbarkeit dieser
„unwürdigen“ Provinz ein Greuel; er konnte nicht, wie Gneisenau, mit
vornehmer Verachtung über die krummen Wege der Sarmaten hinweg-
blicken, er verabscheute „diese Bande der Gesetzlosigkeit, der Liederlichkeit
und des Schmutzes“ und wollte mit dazu helfen, daß „ihre polnische
Natur sich zu einer menschlichen ausbildets“ Was kümmerte es ihn, daß
die Liberalen, die ihn zur Zeit der Karlsbader Beschlüsse auf den Schild
gehoben hatten, ihm jetzt reaktionäre Gesinnung vorwarfen? Die Armee
*) Flottwell an Lottum, 24. Juli 1832.