Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Die Zillerthaler. 569 
frohes Völkchen. In ihren schmucken Tiroler Häusern, mitten unter den 
grünen Matten fühlten sie sich bald glücklich; ihre jungen Leute wurden 
bei den Görlitzer Jägern gern als Rekruten aufgenommen, und mancher 
zog nachher in die norddeutsche Ebene, um durch die heimische Milchwirt— 
schaft sein Glück zu suchen. Mit dem königlichen Hause blieben sie immer 
in naher Verbindung; Prinz Wilhelm der Ältere und die Prinzessin 
Marianne kamen aus dem nahen Fischbach oft herüber, und außer ihrer 
Bibel war den Exulanten nichts so ehrwürdig wie das Bild des alten 
Königs in der Gemeindeschule. Gott segne den König Friedrich Wilhelm III. 
— so lautete die Inschrift auf dem Söller des ersten Hauses in Mittel- 
Zillerthal. — 
Die Provinzialstände der östlichen Provinzen bereiteten der Regierung 
wenig Ungelegenheiten, sie besorgten mit treuem Fleiße ihre unscheinbaren 
Geschäfte. Die altständische Opposition gegen die Hardenbergische Gesetz- 
gebung regte sich noch zuweilen, aber minder lebhaft als in früheren 
Jahren, und als die langwierigen Beratungen über den Entwurf der 
neuen Gewerbeordnung begannen, da zeigte sich's, daß die Grundsätze der 
Freizügigkeit und der Gewerbefreiheit den Preußen schon in Fleisch und 
Blut gedrungen waren. Die Wiederherstellung des alten Zunftzwanges 
wagte selbst der konservativste aller Landtage, der brandenburgische nicht 
zu verlangen; man wünschte nur freie Innungen mit strengerer Zucht für 
Lehrlinge und Gesellen. Die Stände fühlten selbst, wie wenig die öffent- 
liche Meinung nach ihnen fragte, und beantragten mehrmals, in Preußen, 
Sachsen, Schlesien, daß ihre Verhandlungen dem Volke zugänglicher ge- 
macht würden. Die neuen Gedanken freilich, welche im Bürgertum zu 
gären begannen, konnten in dieser Vertretung des Grundbesitzes keinen 
Ausdruck finden; ihre still wachsende Macht ließ sich nur an der freieren 
Sprache der Provinzialpresse erraten. Während die Berliner Zeitungen 
noch in dem alten Stumpfsinn verharrten, brachte der junge National- 
ökonom Schön in der Schlesischen Zeitung schon zuweilen scharfe Leit- 
artikel über innere Angelegenheiten. Mit ihm suchte Frhr. von Vaerst in der 
Breslauer Zeitung zu wetteifern; die Königsberger Zeitung aber diente 
den ostpreußischen Liberalen zum Sprechsaal, soweit es die gestrenge Zensur 
erlaubte. — 
  
Sobald ein neuer politischer Gedanke sich im Völkerleben durchgesetzt 
hat, bewirkt die Kraft des Beharrens regelmäßig einen Rückschlag der 
verletzten Interessen und Meinungen. Auch dem Zollvereine sollte diese 
Erfahrung nicht ganz erspart bleiben. Wohl stieg der Gesamtertrag der 
neuen Zölle von Jahr zu Jahr, und die süddeutschen Finanzmänner hatten 
guten Grund, sich ihres Entschlusses zu freuen. Bayern, das aus dem 
bayrisch-württembergischen Zollvereine kaum 2 Mill. fl. jährlich bezogen
	        
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