Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

604 IV. 8. Stille Jahre. 
Unmöglich konnten die Nachbarstaaten ruhig zuwarten, bis diese wüsten 
Gesellen einen neuen Ausfall wagten. Da der Wiener Hof für die Sicher— 
heit der Lombardei fürchtete, so erhob zunächst der österreichische Gesandte 
Graf Bombelles Beschwerde und erwarb sich dadurch bei den Flüchtlingen 
den Beinamen des neuen Geßlers. Dann verlangte der Deutsche Bundes— 
tag durch eine auf den Wiener Ministerkonferenzen sorgfältig vorberatene 
Note*) die Ausweisung aller der Deutschen, welche mittelbar oder un- 
mittelbar die Ruhe der Bundesstaaten zu stören suchten (6. März). Die 
Tagsatzung gab eine ausweichende Antwort; die Schweizer Radikalen tobten 
wider die Tyrannen, am lautesten der Berner Professor L. Snell, der 
vor Jahren dem Kreise der Unbedingten nahe gestanden und mittlerweile 
das Schweizer Bürgerrecht erworben hatte. Ihm, wie so vielen anderen 
verlorenen Söhnen Deutschlands, gereichte es immer zur Freude, wenn 
er sein altes Nest beschmutzen konnte. In einer hochpathetischen Schrift 
„das verletzte Völkerrecht an der Eidgenossenschaft“ schilderte er den Kampf 
der freien Schweiz wider die heilige Allianz: denn daß die Eidgenossen 
selber der Heiligen Allianz angehörten, war diesem Völkerrechtslehrer ganz 
unbekannt. Ich könnte, so rief er aus, in einem großen Königreiche ein 
reicher und angesehener Sklave sein, aber ich habe meine Menschenwürde 
in die Republik gerettet; in der Monarchie ist die erste Pflicht des Men- 
schen zu schweigen, in einem freien Lande soll er seine Stimme erheben 
— und was der Großsprecherei mehr war. Auch Lord Palmerston versuchte 
durch ein Rundschreiben an die deutschen Höfe sich in diese Händel ein- 
zumischen. Das Verhalten der Schweiz wagte er selbst nicht zu vertei- 
digen, da sie so offenbar unrecht hatte, er warnte die Deutschen nur vor 
Zwangsmaßregeln; dann ließ sich hoffen, daß der angenehme Unfrieden 
an der Schweizer Grenze noch recht lange währte.) 
Der Bundestag ließ sich nicht beirren. Er erneuerte seine Forde- 
rungen in einer schärferen Note (1. Mai); auch ÖOsterreich und die süd- 
deutschen Grenznachbarn wiederholten ihre Beschwerden. Der badische 
Geschäftsträger Dusch, der diese Schriftstücke überbrachte, mußte, obwohl 
den Schweizern wohlgesinnt, eine sehr scharfe Sprache führen. Zugleich 
wurde an der Grenze eine strenge Bewachung angeordnet, und im Not- 
fall wollte man sogar die Handelssperre verkündigen. ) Da entfiel der 
Tagsatzung der Mut. Sie schickte eine Gesandtschaft nach Chambery, um 
sich vor dem tiefbeleidigten Könige Karl Albert zu entschuldigen, und er- 
widerte dem Deutschen Bunde (24. Juni), daß sie alle Flüchtlinge, welche 
die Ruhe anderer Staaten störten, hinwegweisen werde. Dem Wiener 
  
*) Brockhausens Berichte, 25., 28. Febr.; Ancillon an Brockhausen, 7. März 1834. 
*“) Dönhoffs Bericht, 27. April 1834. 
**“) Brockhausens Berichte, 29. März, 17. Mai; Brockhausen an Olfers in Bern, 
6. Juni 1834.
	        
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