Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Hassenpflug. 619 
ständen die Bewilligung einer Dotation für seine unebenbürtigen Kinder 
forderte und deutlich zu verstehen gab, für solchen Preis wolle er sich 
gern etwas von dem Militärbudget abhandeln lassen.“) Die Verhand— 
lungen zerschlugen sich. Die Ritterschaft aber verstand ihren Vorteil 
wahrzunehmen, sie nahm die Grafen von Schaumburg in ihre Korpo— 
ration auf, so daß ihnen fortan heimfallende Ritterlehen übertragen wer— 
den konnten, und empfing dafür von dem dankbaren Vater mannigfache 
Begünstigungen im Staats- und Hofdienste. Währenddem fuhr der Kur— 
prinz fort, seine Mutter durch kleinliche Bosheit zu mißhandeln. Er ließ 
den Salon neben ihrer Theaterloge abbrechen und erwiderte auf ihre Be- 
schwerde, er sei ja selbst bei ihr nicht hoffähig. Nichts liebloser als seine 
Briefe an die Kurfürstin; als er ihr einen Kammerherrn, den sie hoch- 
schätzte, wegnahm, schrieb er ihr trocken: „übrigens besitzest Du kein Rechts- 
mittel, ihn in Deinem Dienste beizubehalten.““*) Erst nach vieljährigem 
Streite überwand die stolze Fürstin ihren Widerwillen, auf die dringenden 
Bitten des preußischen Gesandten, und entschloß sich, den Besuch ihrer 
Schwiegertochter zu empfangen. Seitdem wurde mindestens der äußere 
Anstand bei Hofe wiederhergestellt. ) 
Hassenpflug, der jetzt die Seele der Regierung war, hatte einst als 
Freiwilliger gegen Frankreich gefochten und in Göttingen einer Verbindung 
angehört, welche den patriotischen Ideen der späteren Burschenschaft nahe 
stand. Frühe schon wendete er sich den Lehren Hallers zu, sein scharfer 
juristischer Verstand schrak selbst vor den letzten Folgesätzen des Systems 
der Restauration nicht zurück. Geistreich, vielseitig unterrichtet, zeigte er 
in den ersten, besseren Jahren seines Wirkens lebhaften Eifer für die 
Blüte der Wissenschaften in Marburg. Der Verkehr mit seinen Schwä- 
gern, den Brüdern Grimm, die ihn auch mit Dahlmann zusammen- 
brachten, hatte ihn gewöhnt, sich auf den Höhen der Bildung zu bewegen. 
Die beiden, allerdings kindlich gutherzigen, großen Gelehrten hielten ihn 
damals noch für durchaus redlich, nur fanden sie ihn „nicht frei von 
Einseitigkeit und Überspannung“ und nannten es unrecht, daß er seiner 
eigenen Überzeugung zuwider die Rolle eines konstitutionellen Ministers 
übernommen habe. Er verhehlte gar nicht, daß er die Verfassung als „ein 
Werk der Revolution“ verabscheute und entschlossen war, sie durch die 
allerstrengste Auslegung mit dem monarchischen Prinzip in Einklang zu 
bringen. Während dieser Kämpfe ward er immer härter, schroffer, gewissen- 
loser; in seinem schönen, geistreichen Gesichte ließen sich bald die verkniffenen 
Züge des Fanatismus und der Herrschsucht erkennen. Wenn er scharf, 
höhnisch, mit herausforderndem Hochmut auf die tobende Kammer ein- 
—a 
*) Canitz' Berichte, 12. Juli, 23. Aug. 1834. 
*“) Kurprinz Friedrich Wilhelm an Kurfürstin Auguste, 30. Nov. 1836. 
*#“) Canitz' Berichte, 28. Jan., 18. Febr. 1837.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.