Trennung von England und Hannover. 645
gedrungenen Fremdherrschaft. Was in Pommern, in Preußen, in Schlesien
nur unter schweren Opfern und Kämpfen erreicht war, das gelang in
Hannover durch die Gunst des Zufalls, und alsbald zeigte sich, wie wenig
die lange Verbindung mit dem Auslande den Kern des niedersächsischen
Volkstums verändert hatte. Die starke englische Kolonie in der Stadt
Hannover, einige britische Sitten und Familienverbindungen in der vor—
nehmen Gesellschaft, dazu die kriegerischen Erinnerungen der Veteranen
und ein hohes Maß von Selbstgenügsamkeit, das war in Wahrheit alles,
was von dem ausländischen Wesen noch übrig blieb. Ohne Kummer gaben
die Hannoveraner den Namen der deutschen Großbritannier auf, um fortan
sich selbst und ihrem endlich sichtbaren Könige zu leben.
Ein Glück nur, daß sie trotz ihrer britischen Neigungen selten eng—
lische Zeitungen lasen und von dem schlimmen Rufe ihres neuen Herr—
schers wenig wußten. Mit der einzigen Ausnahme des Selbstmords hat
der Herzog von Cumberland schon jedes erdenkliche Verbrechen begangen
— so schrieb um jene Zeit ein radikales englisches Blatt und sprach damit
nur in pöbelhaften Formen aus, welchen furchtbaren Haß dieser unbelieb—
teste aller englischen Prinzen im Verlaufe eines sechsundsechzigjährigen
Lebens auf sich geladen hatte. König Ernst August war der begabteste
unter den sieben Söhnen Georgs III., aber schlecht erzogen, nicht bloß
aller Bildung bar, sondern ein abgesagter Feind der Wissenschaft, die er
„dem Federvieh der Tintenkleckser“ überließ; nur wer wohl geboren, wohl
gekleidet und mäßig gelehrt war, galt ihm, wie einst den Römern, für
einen anständigen Mann. Auf der Göttinger Hochschule hatte er nicht
einmal die deutsche Sprache gelernt, um so gründlicher die Reitkunst. Als
er dann in den niederländischen Feldzügen ein hannöversches Dragoner-
regiment befehligte, zeigte er sich sehr tapfer, aber auch so roh und grau-
sam, daß Scharnhorst seinen Abscheu kaum bezwingen konnte. Wiederholt
verbot er seinen Reitern, ihm die verfluchten französischen Republikaner
gefangen einzubringen; alles wollte er niedersäbeln, in einem wilden Hand-
gemenge verlor er selbst ein Auge. An den napoleonischen Kriegen be-
teiligte er sich nicht, nur in den Tagen der Schlacht von Kulm erschien
er für kurze Zeit im Hauptquartier der Verbündeten. Trotz dieser ge-
ringen Kriegserfahrung betrieb er das Soldatenhandwerk mit leidenschaft-
lichem Eifer, und unbeschreiblich war seine Freude, als König Friedrich
Wilhelm ihn zum Chef der roten Zieten-Husaren ernannte. Neben dem
steifen Dünkel des englischen Lords behielt er doch immer etwas von der
naturwüchsigen Frische des deutschen Reiteroffiziers.
Im Oberhause ward er rasch ein gefürchteter Führer der Hochtorys;
bald drohend und lärmend, bald schlau belügend, bald leise hetzend, wußte
er seine Leute bei der Stange zu halten. Nur die hartreaktionären Grund-
sätze Lord Eldons fanden seinen Beifall; selbst den eisernen Herzog hielt
er für einen gefährlichen Ränkeschmied, weil Wellington sich den Forde-