Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Erste Wirkungen des Patents. 653 
spruch erhebe, und einstimmig pflichtete ihnen die Kammer bei. Blittersdorff 
selbst widersprach in der Sache nicht, obwohl er die Kompetenz des Land— 
tages bestritt. In diplomatischen Kreisen nannte er den welfischen Staats— 
streich beim rechten Namen und sagte voraus, welch ein unheimliches Miß— 
trauen nunmehr in der Nation überhandnehmen würde.?) Der sächsische 
und der bayrische Landtag schlossen sich dem badischen an. Auch in Dresden 
suchten die Minister nur mit verlegenen Worten zu beschwichtigen. Einen 
Verteidiger fand Ernst August nirgends, und er verstärkte nur den all- 
gemeinen Unmut, als er dem sächsischen Hofe die herrische Erklärung 
zusandte: er könne „keiner Regierung, geschweige denn einer Ständever- 
sammlung gestatten“, sich in hannöversche Angelegenheiten einzumischen.) 
Besser gelang ihm, die Zudringlichkeit des Auslands abzuweisen. Die 
englischen Wahlen standen vor der Tür, die Whigs beeilten sich, den Ge- 
waltstreich des alten Toryhäuptlings auszubeuten, mit glänzendem Erfolge, 
wie sich bald zeigte. Palmerston wollte auch nicht zurückbleiben. Er wußte 
schon, daß die Pariser Presse bereits von einer deutschen Juli-Revolution 
sprach und die französische Regierung an eine gemeinsame Kundgebung der 
liberalen Westmächte dachte. Zunächst fragte er bei Ompteda vertraulich 
an, wie der Rechtsboden des Staatsgrundgesetzes eigentlich beschaffen sei. 
Da empfing er aus Hannover die schroffe Antwort: man verweigere amtlich 
alle Auskunft „über einen Gegenstand, welche jeder nichtdeutschen Regierung 
fremd sei“. Mittlerweile hatte der preußische Gesandte dem Lord Melbourne 
das Zwecklose und Ungehörige dieser Einmischung ernstlich vorgehalten. 
Palmerston erschrak und ließ durch seinen Unterstaatssekretär Fox die 
demütige Versicherung abgeben, er habe Se. Mazestät nicht beleidigen 
wollen.*?) Auch die französischen Minister ließen den Plan fallen; denn 
der Bürgerkönig meinte, ein solcher Schritt würde allen Regierungen Un- 
gelegenheiten bereiten und nur den Radikalismus ermutigen, auch scheine 
die Sache doch nur auf einen elenden Geldstreit hinauszulaufen. ) 
Gegen die beiden deutschen Großmächte zeigte sich Ernst August sehr 
verbindlich. Er wünschte sich ihren Beistand für alle Fälle zu sichern und 
sagte zu dem preußischen Gesandten beim ersten Empfange: „ich werde die 
viele Gnade, welche der König für mich gehabt hat, nie vergessen, und es 
wird stets mein Stolz sein, mich auch künftig zu seiner Armee zu zählen.“ 
Aber irgendeinen Einfluß auf den Willen des alten Eisenkopfes konnte 
niemand, auch der Freund nicht, gewinnen. Er hatte sich vermessen, aus 
1 
  
*) Blittersdorff, Weisung an Frankenberg, 5. Sept. 1837. 
**) Schele d. J., im Auftrag des Königs, an Münchhausen, 22. Aug. 1837. 
*““) Palmerston an Ompteda, 17. Juli; Schele d. J., Weisung an Geh. Rat 
Lichtenberg in London, 25. Juli; Lichtenbergs Bericht, 8. Aug.; Metternich an Maltzan, 
6. Aug. 1837. 
+) Hügels Bericht an Metternich, Paris 1. Aug.; Werthers Weisungen an Maltzan, 
3. Aug., 15. Sept. 1837.
	        
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