686 IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit.
Derweil diese geheimen ultramontanen Umtriebe die ohnehin ver—
stimmte Rheinprovinz beunruhigten, war die Krone Preußen bemüht, den
einzigen Streit, der zwischen ihr und dem Papste bestand, endlich zu be—
seitigen. Auf Bunsens Rat hatte sie die Torheit begangen, über die
Behandlung der gemischten Ehen, in Wahrheit also über die Gültigkeit
ihrer eigenen Landesgesetze, mit dem römischen Stuhle zu verhandeln und
schließlich das Breve vom 25. März 1830 erlangt, das aus der Feder
des Kardinals Cappellari, des späteren Papstes Gregor XVI. stammte.*)
Bunsens Eitelkeit schmeichelte sich, dadurch einen glänzenden Sieg über die
Kurie davongetragen zu haben, und wohlgefällig ließ er sich vom Erz-
bischof Spiegel zu seinen „Triumph-Negotiationen“ Glück wünschen. Als
man aber in Berlin schärfer prüfte, entdeckte man bald, daß dies Breve
schlechterdings kein unzweideutiges Zugeständnis an die Rechte des pari-
tätischen Staates enthielt; denn die Kurie darf niemals einen Grundsatz
aufgeben, sie kann höchstens temporum ratione habita eine milde Aus-
legung ihrer unabänderlichen Gesetze stillschweigend gestatten. Dem Könige
schienen vornehmlich zwei Stellen des Breves unannehmbar; er hielt es
für unchristlich und der Würde der evangelischen Kirche widersprechend,
daß die katholische Braut vor der Todsünde der gemischten Ehe feierlich
verwarnt werden sollte; und wenn er sich auch zur Not mit der passiven
Assistenz des römischen Priesters begnügen wollte, so verlangte er doch,
daß die kirchliche Einsegnung der gemischten Ehen nicht geradezu verboten
würde. Darum ließ er das Breve nach Rom zurücksenden (Febr. 1831),
und Bunsen bemühte sich nunmehr, durch langwierige Verhandlungen die
Kurie umzustimmen. Der Versuch scheiterte. Rom hatte gesprochen, und
eine Milderung ließ sich um so weniger erwarten, da der neue Papst
Gregor selber der Verfasser des Breves war.
Trotzdem verlor der allezeit hoffnungsvolle Gesandte nicht den Mut.
Seit er im Namen der europäischen Mächte den Papst zu Reformen im
Kirchenstaate aufgefordert hatte??*), hielt er sich für den ersten Mann der
römischen Diplomatie, seinem Selbstvertrauen schien nichts mehr unerreich-
bar. Er riet, die Krone möge sich insgeheim mit den Bischöfen der west-
lichen Provinzen über eine milde Auslegung und Handhabung des Breves
verständigen. Also mit Hilfe des heimischen Episkopats die Beschlüsse des
römischen Stuhles zu umgehen erschien als ein natürliches Mittel der
Notwehr; die Staatsgewalten hatten es schon oftmals angewendet, sobald
sie sich gezwungen sahen, die unwandelbaren Satzungen der Theokratie
mit dem ewigen Wandel der weltlichen Dinge in Einklang zu bringen.
Solche immer gefährliche Versuche waren aber bisher nur katholischen
Fürsten gelungen, die sich auf ihr Episkopat unbedingt verlassen konnten;
*) S. o. III. 415.
**) S. o. IV. 68.