Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Erzbischof Dunin. 709 
brauchten nach dem rheinischen Muster einen kirchlichen Märtyrer, um 
das Landvolk gegen den protestantischen König aufzuwiegeln und bereiteten 
mit gewohnter schauspielerischer Gewandtheit ein erschütterndes Rührstück 
vor. Am 3. Oktober verschwand der Erzbischof aus Berlin und eilte mit 
untergelegten Pferden, die ihm seine adligen Freunde stellten, schnurstracks 
nach Posen; dort ward er vom Grafen Kwilecki und anderen Edelleuten 
empfangen und sofort in den Dom geleitet, wo er zur tiefen Erbauung 
der Damen vom Sacré Coeur inbrünstig betete. In einem schwülstigen 
Briefe an den König berief er sich auf das „Beispiel des heiligen Apostel- 
fürsten Petrus, des großen Weltapostels Paulus und vieler heiligen Bischöfe 
der ersten christlichen Jahrhunderte“. Auch die übrigen Akteder Komödie ver- 
liefen genau nach dem Plane der sarmatischen Dramaturgen. Am Früh- 
morgen des 6. Okt. erschienen die Beamten, um die unvermeidliche Ver- 
haftung vorzunehmen. Der erzbischöfliche Palast auf der stillen Dom-Insel 
war fest verriegelt und mußte mit großem Lärm geöffnet werden. Die 
Eintretenden empfing Dunins Schwester Scholastica mit jenem schrillen 
Jammerschrei, dessen nur polnische Lungen fähig sind; der Erzbischof 
aber rief: „Holen Sie Gendarmen! Die Welt muß wissen, daß ich mit 
Gewalt von hier weggeführt werde.“ Dann wendete er sich zu dem Haupt- 
mann Hacke, der ihm leise die Hand auf die Schulter legte: „Sie sind 
zu zart!“ Als ihm der Polizeidirektor den Arm bot, um ihn die Treppe 
hinabzugeleiten, sagte er nochmals: „Das ist eine Gefälligkeit, das ist keine 
Gewalt. Fassen Sie mich nur an!“?) 
Nun wurde er nach Kolberg abgeführt und schrieb von dort sogleich 
an den König im alleruntertänigsten Stile: er sehe seine Haft als eine 
gerechte Fügung Gottes an und bitte nur, ihm eine andere Festung an- 
zuweisen, wo sich eine katholische Kirche befinde, „damit ich wenigstens den 
Trost haben könnte, in einem, nach dem katholischen Ritus Gott geweihten 
Hause für das Wohl Ew. K. Majestät und für meine verwaiste Herde 
tagtäglich und inbrünstiglich zu beten.“ Als ihn aber der König nunmehr 
aufforderte, wegen der vorläufigen Verwaltung des Erzbistums Vorschläge 
zu machen, die nan gern berücksichtigen wolle, da ward er wieder störrisch 
und antwortete: meine Vorschläge gehen dahin, daß ich nach Posen und 
mein ebenfalls entfernter Offizial Brodziszewski nach Gnesen zurückkehren 
muß.**) Wie häßlich erschien dies bald kriechende, bald trotzige Benehmen 
des Polen neben der ehrenhaften Mannhaftigkeit des westfälischen Starr- 
kopfs. Die Posener Katholiken veranstalteten Kirchentrauer und andere 
Kundgebungen der Wehmut; die Dekanate der Erzdiözese erklärten dem 
  
*) Protokoll über die Verhaftung des Erzbischofs, vom Polizeirat Bauer u. a. 
6. Okt. 1839. 
*) Dunins Eingaben an den König, 8., 25. Oktober. Kabinettsordre an Dunin, 
19. Okt. 1839.
	        
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