Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Haltung der Bischöfe. Sedlnitzky. 711 
Schreiben des Papstes, das den Fürstbischof kurzerhand zur Abdankung 
aufforderte, weil er sich die Gemüter der Gläubigen ganz entfremdet hätte. 
Einem solchen Befehle wagte der gutmütige Prälat nicht zu widersprechen, 
sein Rücktritt war nur noch eine Frage der Zeit. Die ultramontane Partei 
im schlesischen Klerus bekämpfte ihn mit unverhohlenem Hasse, und auf 
seine Herde konnte sich der längst geschwächte Episkopat nicht mehr ver— 
lassen. So wunderbar hatte sich, zur Überraschung aller Regierungen, 
die Stimmung des katholischen Volkes in den letzten Jahrzehnten ver- 
wandelt: wer noch gläubig an der Kirche hing, hielt unbedingt zum heiligen 
Vater. 
Wenn Bunsen einst gehofft hatte, die Kurie mit Hilfe der Landes- 
bischöfe zu bezwingen, so waren seine Pläne nicht nur gescheitert, sondern 
ins Gegenteil umgeschlagen: jetzt führte die Kurie den gesamten preu- 
ßischen Episkopat gegen die Krone ins Feld, und dieser Streit verwickelte 
sich so seltsam, daß selbst eifrige Protestanten nicht mehr mit ungeteiltem 
Herzen auf seiten des Königs stehen konnten. Gewiß mußte jeder treue 
Preuße billigen, daß die Krone offenbare Widersetzlichkeit gegen die Staats- 
gesetze nicht dulden wollte. Ein sachlicher Widerspruch aber bestand seit 
der Kabinettsordre vom 28. Januar 1838 nicht mehr. Die Kurie verlangte 
das Versprechen der katholischen Kindererziehung vor jeder kirchlichen 
Trauung; der Staat gestattete den Pfarrern der westlichen Provinzen, 
bescheidene Erkundigungen wegen der Kindererziehung anzustellen, und über- 
wies dann die letzte Entscheidung den Bischöfen. Wo war hier ein erheb- 
licher Unterschied? Die Staatsgewalt hatte in der Rheinprovinz den For- 
derungen der römischen Kirche nachgegeben und sie konnte selbst nicht mehr 
wünschen, daß auf die Dauer im Osten ein anderes Staatskirchenrecht 
gelte als im Westen. 
Wie sollte eine Regierung, die neben einer Fülle von Talenten zweiten 
Ranges keinen einzigen beherrschenden Kopf besaß, aus solchen Irrwegen 
hinausgelangen? Der römische Stuhl ergriff jede Gelegenheit, um die 
preußische Krone von neuem zu reizen. Als der König gegen Dunins 
Widersetzlichkeit zuerst einschritt, legte Kardinal Lambruschini sofort Ver- 
wahrung ein wider diesen Mißbrauch der weltlichen Gewalt.5) Dann hielt 
der Papst, am 13. September 1838, eine zweite Allokution, die noch ge- 
hässiger klang als die erste er empfahl Dunins „unbesiegte Mannhaftig- 
keit“ allen preußischen Bischöfen als Vorbild und bestritt sogar das alte 
Recht des königlichen Placet. Im Juli 1839 folgte eine dritte Allokution 
ähnlichen Inhalts und alle diese feindseligen Ansprachen sendete Lambrus- 
chini an den preußischen Geschäftsträger. Buch erhielt zwar endlich Be- 
fehl, derartige Zusendungen in Zukunft nicht mehr anzunehmen, aber der 
diplomatische Verkehr ward nicht abgebrochen; denn Altenstein warnte 
  
*) Lambruschini an Buch, 25. Juli; Buchs Bericht, 25. Juli 1838.
	        
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