Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

712 IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit. 
vor einer offenen „Kriegserklärung“, und der König stimmte ihm bei, gegen 
den Rat der anderen Minister.“) So mußte Buch ausharren, obgleich 
Verhandlungen vorderhand ganz unmöglich waren, und nur, weil er 
persönlich vom Papste hoch geschätzt wurde, konnte er diesen widerwärtigen 
Zustand eine Weile ertragen. 
Der König fühlte sich tief unglücklich und suchte seine Posener Unter— 
tanen durch eine ernste Ansprache zu beruhigen. Er hatte die unbestimmte 
Empfindung, daß irgendetwas geschehen müsse, und seine Minister „im 
Finstern tappten“. „Zur legislativen Feststellung der zweifelhaft gewor- 
denen staats= und kirchenrechtlichen Verhältnisse“ bildete er schon im Februar 
1838 eine Kommission, welcher neben anderen hohen Beamten auch der 
Rechtshistoriker K. F. Eichhorn angehörte.*) Ihre Arbeiten wurden dann 
im Staatsrate wie im Staatsministerium begutachtet; zur weiteren Be- 
ratung berief man noch sechs Oberpräsidenten nach Berlin, denn nur 
zwei von den acht Provinzen, Brandenburg und Pommern, waren von 
dem Kirchenstreite unberührt geblieben. Nach Jahresfrist etwa lagen sechs 
Gesetzentwürfe fertig vor, darunter zwei Strafgesetze wider solche Geist- 
liche, welche die Kanzel mißbrauchten oder den öffentlichen Frieden störten, 
und ein sehr strenges Gesetz über die gemischten Ehen, das nicht nur, nach 
dem Gesetze vom Jahre 1803, die Erziehung aller Kinder im Bekenntnis 
des Vaters anbefahl, sondern auch jede Abweichung von dieser Regel un- 
bedingt verbot: selbst die freie Übereinkunft beider Eltern sollte daran 
nichts ändern dürfen — eine furchtbar harte Vorschrift, welche in vielen 
Fällen zu schwerem Gewissensdrucke führen mußte. *7) Der leitende Ge- 
danke der Entwürfe war die Einheit des Staatskirchenrechts für die ge- 
samte Monarchie. 
Aber das hohe Beamtentum selbst zeigte sich keineswegs einig. Der 
greise Stägemann und die Mehrzahl der Oberpräsidenten, vornehmlich 
Schön, Flottwell, Merckel, standen noch ganz auf dem Boden des alten 
landrechtlichen Territorialsystems und verlangten dringend die sofortige 
Einführung der sechs Gesetze. Erbittert durch seinen langen Kampf gegen 
die Polen empfahl Flottwell sogar die Zerteilung des Gnesener Erz- 
bistums, die doch ohne die Zustimmung des römischen Stuhles unmög- 
lich war. In einer, offenbar von Schön verfaßten Denkschrift tadelten die 
Oberpräsidenten scharf, daß der Staat mit dem Papste überhaupt ver- 
handelt habe, und noch schärfer „Doktor Bunsens berüchtigte Note aus 
Ancona“; sie sahen in diesem Bischofsstreite „den Kampf des Lichtes mit 
der Finsternis, dessen glorreiche Führung wie früher so auch jetzt Euerer 
  
*) Berichte der drei Minister, 10. Nov. 1838; 3. Nov. 1839. 
37) Kabinettsordre vom 17. Febr. 1838. 
*#) Gesetzentwürfe über die gemischten Ehen; zur Ergänzung des Allgemeinen Land- 
rechts, T. II. Tit. 11 § 66, T. II. Tit. 20 § 151 u. 273 usw.
	        
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