714 IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit.
man Ronm besser als bei euch. *) Doch leider kannte er selber die preußi-
schen Zustände nicht. Das rein politische Recht der Kirchenhoheit i in die
Hände einer konfessionellen Behörde zu legen, war an sich ein falscher Ge—
danke, und wenn eine solche übermäßige Nachgiebigkeit in den kleinen Ver—
hältnissen süddeutscher Mittelstaaten vielleicht versöhnend wirken konnte,
so stand es in Preußen doch ganz anders. Wer konnte verhindern, daß
der polnische, der rheinische, der westfälische Adel sich an den Berliner
Kirchenrat herandrängten und die unparteiische Macht der staatlichen
Kirchenhoheit völlig verfälschten? König Friedrich Wilhelm aber fand die
Ratschläge des schwäbischen Königs, weil sie so gerecht und unbefangen
schienen, höchst beachtenswert; er empfahl sie seinen Ministern und schon
im Frühjahr 1839 stand der Entschluß fest, eine katholische Abteilung
im Kultusministerium zu bilden. Die Leitung sollte, zu Schmeddings
Verzweiflung, der Unterstaatssekretär Düesberg, ein katholischer Westfale,
erhalten.
Währenddem bemühte sich der König eifrig, die anderen evangelischen
Fürsten Deutschlands zu einem gemeinsamen Vorgehen in Rom zu be—
wegen. Dies war es, was die Kurie am meisten fürchtete. Sie wünschte
vor allem, den preußischen Staat zu vereinzeln. Der fähigste ihrer deut—
schen Parteigänger, Bischof Reisach in Eichstätt, schrieb schon im Januar
1838 vertraulich an seinen Freund Geissel in Speier: es ist ein Wende—
punkt für die Kirche in Deutschland eingetreten und darum dringend nötig,
andere Regierungen nicht mit in den preußischen Krieg hereinzuziehen. In
der Tat verhielt sich der Klerus in den kleinen Staaten ganz still und
befolgte unbedenklich dieselben Gesetze, die er in Preußen als tyrannisch
bekämpfte. Wer durfte also den Schwachen zumuten, daß sie sich ohne
Not Verlegenheiten bereiteten, um dem Starken zu helfen? Die große
Mehrzahl der evangelischen Fürsten war mit dem Verfahren des Berliner
Hofes einverstanden; der Großherzog von Baden dankte dem preußischen
Gesandten aufs wärmste im Namen der politischen Ordnung und der
evangelischen Kirche. *) Aber an irgendeine Beihilfe dachte niemand.
Selbst König Ernst August, der gerade jetzt das Wohlwollen seines Schwa-
gers am wenigsten entbehren konnte, befahl seinem Minister: „Ich bin
willens, alle möglichen Mitteilungen und Erklärungen an den preußi-
schen Hof zu geben, aber mit dieser Bedingung, daß sie bloß als private
Mitteilungen sollen angesehen werden und nicht öffentlich bekannt oder
publiziert sollen sein.“ Und auf eine erneute Anfrage an Canitz erwiderte
Schele: die größte Vorsicht sei nötig, damit nicht in den Staaten, welche
bisher den kirchlichen Frieden genossen hätten, eine Spannung der Ge-
müter entstehe.)
*) Rochows Berichte, Stuttgart, 27. April, 18. Nov., 6. Dez. 1839.
**) Otterstedts Bericht, 2. Jan. 1838.
SEchele an Canitz, 18. April 1838, 8. Jan. 1839.