Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

742 XX. Preußen und das Bundeskriegswesen 1831. 
drei Heere gebildet würden: ein preußisch-norddeutsches an der Mosel, ein süddeutsches, 
durch preußische Truppen verstärkt, am Ober= und Mittelrhein, dazu ein österreichisches 
Heer in Schwaben. Diese Vorschläge gingen über alle älteren Forderungen Preußens 
sehr weit hinaus. Drangen sie durch, so wurde das nördliche Bundesheer unmittelbar, 
das mittlere wenigstens mittelbar preußischem Befehle unterstellt, und Osterreich mußte 
sich mit der bescheidenen Rolle einer Hilfsmacht begnügen, während Preußen bei den 
früheren Verhandlungen über das Bundeskriegswesen immer nur die Zweiteilung des 
Bundesheeres gefordert hatte, so daß Osterreich die süddeutschen, Preußen die nord- 
deutschen Truppen führen sollte. Aber diese neue starke Zumutung war rein militärisch, 
sie wurde ohne jeden politischen Hintergedanken ausgesprochen, sie bezog sich nur auf den 
möglichen nächsten Feldzug; und da Metternich selbst bezweifelte, ob Osterreich an dem 
deutschen Kriege wirksamen Anteil nehmen könne, so kam er anfangs den Vorschlägen 
Röders freundlich entgegen. Gleich ihm auch Graf Gyulay mitsamt dem Hofkriegs= 
rate. Nur auf die Ernennung eines Bundesfeldherrn wollte Metternich nicht gern ver- 
zichten; aber auch diesen Gedanken hielt er nicht fest, weil der alte Erzherzog Karl, dem 
man diese Würde zudachte, wenig geneigt war, ein so peinliches Amt zu übernehmen. 
Erst als Feldmarschallleutnant Langenau, vor Zeiten Preußens geschworener Wider- 
sacher am Bundestage, zu den Beratungen zugezogen wurde, da erst begannen die 
OÖsterreicher sich mißtrauisch zu zeigen. Langenau verlangte die Bildung zweier Bundes- 
heere unter dem Oberbefehle Osterreichs und Preußens. Auch dies war schon ein großes 
Zugeständnis, da der Wiener Hof früherhin den Plänen des militärischen Dualismus 
immer insgeheim widerstrebt hatte. 
Während die Wiener Verhandlungen also ohne Entscheidung sich hinzogen und 
Fürst Schönburg noch immer untätig in der Hofburg weilte, entschloß sich König Friedrich 
Wilhelm, unmittelbar mit den süddeutschen Bundesgenossen zu unterhandeln. General 
Rühle von Lilienstern wurde im Februar nach München, dann zu den anderen Höfen 
des Oberlandes gesendet und dort überall sehr herzlich aufgenommen. Man brauchte 
Norddeutschlands Waffenhilfe, man mußte bei den schwebenden Zollvereinsverhandlungen 
auf Preußens Freundschaft rechnen; überdies hofften Bayern und Baden, ihren Spon- 
heimer Erbfolgestreit durch die Vermittelung des Berliner Hofes auszutragen. König 
Ludwig von Bayern schrieb glückselig nach Berlin (17. März): „Ew. Kön. Maj. muß ich 
die durch General Rühle von Liliensterns Sendung mir verursachte Freude ausdrücken, 
der ich bald nach der vorjährigen Pariser Revolution schon Rücksprache mit Preußen zu 
nehmen gewünscht hatte. Ich kenne kein Nord= und kein Süd-Teutschland, nur Teutsch- 
land bin der Überzeugung, daß bloß in festem Anschließen an Preußen Heil zu 
finden ist. Meiner Ansicht nach haben beide Länder (was fast bei keinem anderen der 
Fall) in nichts entgegengesetzte Interessen, sondern gemeinsame Richtung.“ Die süd- 
deutschen Höfe waren mit der Bildung von drei Heeren ganz einverstanden. Sie hielten 
namentlich für unerläßlich, daß ihre Truppen nach dem Maine zu ihren Rückzug nehmen 
müßten, nicht nach dem Lech, wie Langenau vorschlug; denn sie mißtrauten allesamt 
der Leistungsfähigkeit, manche sogar dem guten Willen Osterreichs und hatten die bösen 
Erfahrungen der Revolutionskriege noch in frischer Erinnerung. Sie beschlossen, dem 
Feldmarschall Wrede den Befehl über das bayrische und das achte Bundesarmeekorps 
anzuvertrauen; sie taten auch einiges, um diesem achten Korps eine etwas gleichmäßigere 
Ordnung zu geben, und berieten sich vertraulich über Einzelheiten des möglichen Feld- 
zugsplanes. Aber dabei blieb es auch: ernstlich zu rüsten wagten sie nicht, während 
Österreich jetzt eifrig sein Heer zu verstärken anfing, der größte Teil des preußischen 
Heeres schon zur Bewachung der belgischen wie der polnischen Grenze aufgeboten war. 
Mittlerweile begann die Stimmung in der Hofburg etwas gereizt zu werden, und 
dieser Unmut war nicht ganz grundlos. Gewiß hatte Osterreich allein durch seine 
Saumseligkeit das einseitige Vorgehen Preußens verschuldet. Aber der Bund der drei 
großen Ostmächte bildete nun einmal den Grundstein der europäischen Politik Preußens;
	        
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