Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

92 V. 2. Die Kriegsgefahr. 
ein Schreiben, das, ohne bestimmte Zusagen zu geben, doch mindestens 
die Hoffnung erweckte, Preußen und Osterreich würden „als die ersten 
Glieder des Deutschen Bundes in geschlossener Stellung auftreten“. Auch 
dies blieben nur leere Worte, die Verhandlungen rückten nicht von der 
Stelle. Schon waren vier Monate seit dem Juli-Vertrage verflossen, Frank— 
reichs Rüstungen wurden immer gefährlicher, die Kriegsdrohungen der 
Pariser Presse immer lauter, und noch war für Deutschlands Verteidi— 
gung nur das eine geschehen, daß Preußen seine rheinischen Festungen 
in der Stille ausrüstete, die Mobilmachung des Heeres vorbereitete. 
Alles wartete auf den neuen König, und nun endlich sah er ein, daß 
er, die Ehrfurcht vor dem k. k. Erzhause überwindend, selber die Vorhand 
übernehmen mußte. Am 16. Novbr. erschienen in Wien General Grol- 
man, Preußens angesehenster Heerführer, und Oberst Radowitz, der unter- 
wegs den sächsischen Hof besucht hatte. Derweil die auswärtigen Diplo- 
maten noch ihre Anstalten trafen, um die erwarteten langwierigen Ver- 
handlungen zu belauschen, wurden die beiden Preußen schon nach zwei 
Tagen mit General Ficquelmont handelseins. Grolmans heldenhafter 
Gradsinn und Radowitzs umfassende Sachkenntnis ergänzten einander 
sehr glücklich. Sie setzten durch, daß jener preußische Kriegsplan vom 
Jahre 1831, der damals so peinliche Beratungen veranlaßt hatte, jetzt 
wieder aufgenommen wurde.?') Nur wollte man diesmal kühner ver- 
fahren und im Kriegsfalle sogleich zum Angriff schreiten. Also ein preu- 
ßisch-norddeutsches Heer abwärts von Mainz; ein süddeutsches, durch 
preußische Truppen verstärkt, am Oberrhein, endlich in Oberschwaben eine 
österreichische Reserve-Armee, deren Stärke Ficquelmont auf 150000 Mann 
anschlug.**) Diesen zuversichtlichen Zahlenangaben traute Grolman freilich 
ebenso wenig wie den Prahlereien Metternichs, der den kleinen deutschen 
Gesandten beharrlich versicherte, Osterreich sei vollkommen gerüstet; der Ge- 
neral wußte nur zu wohl, in welchem elenden Zustande sich das k. k. Heer 
befand, und wie dringend Radetzky, immer vergeblich, um Verstärkung 
mindestens der italienischen Armee flehte. *“) Indessen zog er vor, keinen 
Widerspruch zu erheben. Ihm genügte, daß die Hofburg, im Gefühl 
ihrer Ohnmacht, den Oberbefehl über die deutschen Kleinstaaten tatsäch- 
lich an Preußen überließ, auch auf den alten Lieblingsplan des k. k. Hof- 
kriegsrats, auf den Zug durch die Schweiz nicht mehr zurückkam. Von 
der lächerlichen Bundeskriegsverfassung war ohnehin, wie immer in Zeiten 
der Gefahr, gar nicht mehr die Rede. 
Da die günstigen Nachrichten vom orientalischen Kriegsschauplatze den 
Mut der Hofburg mittlerweile etwas gehoben hatten, so beschlossen die 
*) S. o. IV. 214. 740. 
*“) Werther, Weisung an Liebermann 3. Dez. Maltzans Berichte, 20. 24. Nov. 
1810. 
*") Maltzans Bericht, 24. Dez. 1840. 
 
	        
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