108 V. 2. Die Kriegsgefahr.
sie Steine zum Kölner Dombau führten, und sangen bei der Durchfahrt:
„sie sollen ihn nicht haben“, wobei sie allerdings an die Nassauer, nicht
an die Franzosen dachten. Nahe beim Biebricher Hafen hielt die Flotte
plötzlich an, mehrere der Schiffe versanken angebohrt, die anderen löschten
ihre Ladung in den Rhein, ein Offizier mit 20 Gendarmen behütete
die Arbeiter, und nach wenigen Stunden war der rechte Rhein-Arm
zwischen der Insel Petersau und dem Biebricher Ufer durch einen mäch—
tigen Steindamm fast völlig abgesperrt.“)
Mit heller Schadenfreude begrüßten die Rheinhessen am anderen Mor-
gen das seltsame Bauwerk. Du Thil hatte sein ganzes Land hinter sich und
rühmte sich noch im hohen Alter dieser darmstädtischen Heldentat. *) Unter
dem heiligen Reiche hatte der Rhein solcher freundnachbarlicher Streiche
ja schon viele gesehen. Wie oft waren damals die kurkölnischen oder die ber-
gischen Bauern bei Nachtzeit auf Geheiß ihrer Amtleute ausgezogen, um
die Faschinen am Ufer gegenüber zu zerstören. Die Nassauer aber schimpf-
ten weidlich auf „unsere Nachbarn jenseits des neuen Steindammes“, die
fremden Diplomaten am Bundestage höhnten, und alle Witzbolde des lusti-
gen Rheinlands trieben ihren Schabernack mit diesem neuen Wasunger
Kriege. Ein in der Frankfurter Gegend weitverbreitetes Lied besang die
Steinleiden des alten Rheins mit einem cynischen Witze, der einer solchen
Sache würdig war, und schloß mit der tröstlichen Versicherung: „Der
Deutsche Bund verspricht von Herzen Ihm Hoffnung — Anno Sieben-
zig. “ *?) Indes die Friedensstörung war doch allzu roh; selbst das gedul-
dige k. k. Gouvernement in Mainz konnte nicht umhin, wegen Verletzung
seiner Würde und Übertretung der Rayons-Vorschriften Klage zu erheben,
da der hessische Kyklopenbau noch innerhalb des Festungsgebietes lag.#K)
Die Bundesgesandten bemühten sich wetteifernd, den ärgerlichen Handel
aus der Welt zu schaffen. Am gastlichen Tische des Grafen Münch traten
die Minister der beiden streitenden Mächte, Graf Walderndorff und du
Thil einander näher.)Der Hesse versprach, den Steindamm so weit
hinwegzuräumen, daß zwei Dampfschiffe nebeneinander einlaufen könnten,
verlangte aber um so nachdrücklicher die Wiederherstellung des alten
Talwegs. Darüber entbrannte der Zwist sofort wieder, und erst nach
dritthalb Jahren, im August 1843 kam unter Vermittlung des Bundes
ein Vergleich zu stande, der im wesentlichen den Wünschen der Hessen
*) Sydows Bericht, 4. März 1841.
**) Nach du Thils Aufzeichnungen.
*“) Offenes Sendschreiben an unfre Nachbarn jenseits des neuen Steindammes.
Von einem Biebricher, als Mslkr. gedruckt Wiesbaden 1841 Fliegendes Blatt: „Selbst
der so lange die Franzosen“ 2c. — sehr bissig, aber ganz unmitteilbar.
) Bericht des k. k. Gouverneurs F. M. L. Graf Leiningen an das Bundesprä-
sidium, Mainz 2. März 1841.
f) Sydows Berichte, 1. 23. April 1841.