Friedrich Wilhelms Anglomanie. 131
den edlen Vorsätzen. Klugen Rechnern wie Leopold und Albert mußten
die großen westeuropäischen Interessen ihrer weltbürgerlichen Dynastie wich—
tiger erscheinen als das kleine deutsche Stammland; und noch oft sollten
die Ratschläge der Koburger dem deutschen Volke schädlich werden, um
so schädlicher, da dies überall vom Schicksal begünstigte Haus auch das
seltene Glück hatte, nicht von gemeinen höfischen Schmeichlern, sondern
von angesehenen und ehrlichen Schriftstellern literarisch verherrlicht zu
werden. Alle die tüchtigen deutschen Gelehrten, welche sich in London
der Gönnerschaft Bunsens und Stockmars erfreuten, wurden zu Aposteln
der Koburgischen Legende und erzählten in gutem Glauben den Lands—
leuten daheim, wie wunderbar der Prinzgemahl verstanden habe, zugleich
ein ganzer Brite zu werden und ein ganzer Deutscher zu bleiben.
Niemand hörte auf solche Erzählungen williger als König Friedrich
Wilhelm. Er zeigte schon seine Thronbesteigung auch dem Prinzgemahl
in einem eigenhändigen Briefe an, was die Königin hoch beglückte'), und
erwies fortan dem jungen Paare beständig zarte Aufmerksamkeiten. Sein
weltkundiger Vater hatte sich nie darüber getäuscht, daß Palmerston den
Unfrieden auf dem Festlande absichtlich nährte."*) Er aber meinte wieder
klüger zu sein und glaubte den Berichten Bülows, der ihm nach den
Versicherungen englischer Staatsmänner treuherzig beteuerte, Palmerston
sei nur durch die Schroffheit der Ostmächte wider seinen Wunsch ge-
zwungen worden, sich von ihnen zu trennen, und mit dem Vierbunde
von 1840 zu seinen ursprünglichen Ansichten zurückgekehrt.*) Als nun
gar die Torys ans Ruder kamen, Lord Aberdeen, der altbewährte An-
hänger Metternichs in das Auswärtige Amt wieder eintrat, da floß man
in Berlin von Vertrauensseligkeit über. Ein Ministerialschreiben an die
Gesandtschaft sagte: selbst unter den Whigs seien zwischen den beiden
historisch verbundenen Mächten die Fäden niemals ganz abgerissen; um
so herzlicher werde sich jetzt das Verhältnis zu Aberdeen gestalten.) Der
Führer des neuen Kabinetts, Robert Peel gewann sich durch Gradsinn
und ernste Frömmigkeit das Herz Friedrich Wilhelms; selbständig genug,
um nötigenfalls die Dogmen der Partei zu verletzen, hielt er sich auch
frei von nationaler Gehässigkeit und betrachtete Deutschland mit einiger
Teilnahme. Wenn ihm Bunsen von dem Deutschen Bunde als einer
Macht ersten Ranges sprach, dann war Peel so höflich, diese allerneueste
Doktrin des Berliner Hofes mit seinen guten Wünschen zu begleiten.
Als bald nachher dem neuen sächsisch-welfischen Königshause ein Thron-
folger geboren wurde, da beschlossen die Eltern, auf Stockmars Rat, den
König von Preußen durch eine klug berechnete Aufmerksamkeit in seiner
*) Bülows Bericht, 7. Juli 1840.
*“) S. o. IV. 515.
*) Bülows Denkschrift über die innere Lage Großbritanniens, 17. Juli 1841.
) Werther, Weisung an Schleinitz, 13. Sept. 1841.
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