Die Taufreise nach England. 133
Eindruck eines beherrschenden politischen Kopfes hinterließ. Stockmar
erschrak geradezu über die phantastischen Einfälle des Königs, als ihm
dieser sehr ausführlich und ernsthaft vorhielt, Belgien müsse um seiner
Sicherheit willen durchaus in den Deutschen Bund eintreten — ein im
Frieden schlechthin unausführbarer Plan, da ja Belgien auf Preußens
eigenen Antrag von allen Großmächten als neutral anerkannt war.
Unterwegs wurde, trotz der dringenden Einladungen des Gesandten
Bresson, der französische Boden und jede Berührung mit den Orleans
sorgfältig vermieden. Leopold von Belgien aber hatte, zur Entrüstung
des Zaren, den deutschen Nachbarn schon auf der Hinreise in Ostende
begrüßt; und da Friedrich Wilhelm den für den Zollverein wichtigen
belgisch-luxemburgischen Grenzverkehr friedlich zu ordnen wünschte, so
entschloß er sich schweren Herzens, seinem geliebten Vetter, dem neuen
Könige Wilhelm II. der Niederlande einen Freundschaftsdienst zu erweisen
und den belgischen Usurpator auf der Heimreise zu besuchen, in demselben
Schlosse, das einst den oranischen Verwandten gehört hatte. „Je Vous
porterai un véritable sacrifice“, schrieb er dem Oranier; „J irai le
trouver en chemin (à Lacken! !! — 1 — 1 —III) pour le travailler.“)
Trotz dieses Besuchs bei dem liberalen Belgier blieb die englische Reise den
aufgeklärten Berlinern hoch verdächtig; sie meinten in ihrer Tadelsucht, der
König sei drüben ganz in die Netze der Hochtorys und der Anglikaner
geraten. In ihm aber klangen die religiösen Stimmungen dieser Tauf-
fahrt noch lange nach. Nach einer schönen Zeichnung von Cornelius
ließ er für sein Patenkind einen silbernen Glaubensschild fertigen, der
in der Mitte einen Christuskopf, darunter die Darstellungen der beiden
evangelischen Sakramente, an den Rändern neben dem Einzuge Jesu in
Jerusalem auch ein Bild der Meerfahrt des Paten zeigte: da fuhr der
christliche König in Pilgerhut und Muschelmantel auf einem Schiffe, das
ein Engel lenkte und der gefesselte Höllengeist des Dampfes schnaubend
vorwärts trieb, neben ihm Humboldt mit einem Olzweige in der Hand,
Anton Stolberg und General Natzmer; drüben am Strande erwartete
ihn Englands Schutzpatron, der heilige Georg, mit dem Prinzgemahl
und Wellington — eine Zusammenstellung, welche dem Koburgischen Welt-
kinde insgeheim wohl ebenso fragwürdig erscheinen mochte wie dem un-
gläubigen deutschen Naturforscher und im radikalen Lager widerwärtige
Hohnreden hervorrief.
Auch das auswärtige Ministerium fuhr noch lange fort, dem bri-
tischen Kabinett unerwiderte Zärtlichkeitsbeteuerungen zu senden, zumal
seit Bülow dem schon nach wenigen Monaten unheilbar erkrankten Grafen
Maltzan im Amte gefolgt war. Bülow blieb als Minister wie vordem
*) König Friedrich Wilhelm an König Wilhelm II. der Niederlande, 29. Jan.
1842.