142 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
die sündlichen Possen, die tiefe Unwahrheit und das häßliche Theaterspiel
moderner Konstitutionen und Grundgesetz-Wische in die Region wahrer
Freiheit hinaufreichen kann Heute, ich sage es getrost, können nur Ja—
kobiner, Perücken oder Esel über meine ehrliche Liebe zur Freiheit in
Zweifel sein . . . Den Ständen allen im Lande und denen von Preußen
an der Spitze aller, wird die Wahl zwischen Israel und mir nicht schwer
fallen. . . Den Reuigen, auch den Beschnittenen, werde ich mit Freuden
die begnadigende Hand reichen.““) Die Stelle seines Briefes, welche er
zwischen Kreuzen eingeschlossen hatte, befahl der König streng geheim zu
halten. Er erwartete also, seine Untertanen würden ohne nur zu fragen
sich unbedingt der Leitung seiner überlegenen Weisheit überlassen; und
doch lagen seine Absichten in so rätselhaftem Dunkel, daß selbst Schön,
der Empfänger des Briefes, sie gänzlich mißverstand und dem Monarchen
hoffnungsvoll erwiderte: mit der Einberufung der Ausschüsse sei das Ver-
fassungsversprechen vom Mai 1815 erfüllt.
Im Volke konnte man noch weniger begreifen, wo hinaus diese ge-
heimnisvolle Staatskunst wollte. Aber die alte Treue stand noch uner-
schütterlich fest; man scheute sich der Krone vorzugreifen, und dem Könige
ward die Freude, daß keiner seiner Provinziallandtage den Lockungen Is-
raels Folge leistete. Mit gerührten Worten dankten sie ihm alle für seine
Gewährungen. Die preußischen Stände wiesen eine in Jacobys Sinne
gehaltene Petition von dreihundert Königsbergern kurzerhand ab, weil der
König selbst schon im Begriffe stehe, die ständische Verfassung weiter aus-
zubauen. In ähnlicher Weise ward eine Petition preußischer Grundbe-
sitzer abgefertigt, die den Landtag aufforderte, seine Bitten vom vorigen
September zu erneuern. Sie sprach schon sehr bitter von getrübten Hoff-
nungen; zum Schluß erinnerte sie scharf mahnend an die Verse: „nicht
Roß, nicht Reisige schützen die steile Höh', wo Fürsten stehn,“ und seitdem
ward es in den Kreisen der aufgeregten Opposition üblich, diese Worte
des Königsliedes wie eine Drohung gegen das königliche Haus zu richten.)
Auch der schlesische Landtag ließ sich durch eine liberale, mit Zeitungs-
schlagwörtern reichlich ausgeschmückte Petition der Breslauer Stadtbe-
hörden nicht hinreißen, sondern beschloß mit allen gegen acht Stimmen,
es lediglich der Weisheit des Königs anheimzustellen, ob, wann und auf
welche Art die Reichsstände zu berufen seien. An der Verhandlung im
Plenum beteiligten sich nur Vertreter der Städte, und sogar unter ihnen
gestanden mehrere aufrichtig, der Wunsch nach Reichsständen sei noch
keineswegs allgemein.
Noch war der König in der Lage, den Verfassungsbau ganz nach
—
*) König Friedrich Wilhelm an Schön, 9. März 1841.
**) Protololl des preußischen Landtags vom 25. März; Bericht des Deputierten
v. Below an den König, 25. März 1841. "