Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

144 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung. 
Ausführliche Mitteilungen an die Landtage schienen ihnen gefährlich, weil 
man im In= und Auslande den Zustand der Finanzen, auf denen die 
Kraft Preußens doch vornehmlich beruhe, für günstiger halte, als er sei; 
und wie leicht könnten genaue Angaben über die Mobilmachungen oder 
die Chausseebauten den Argwohn des Auslandes, die Eifersucht der Provinzen 
erregen.5) Offenbar erschreckt durch diese Warnungen des alten Beamten- 
tums ließ der König noch im letzten Augenblicke reichlich 2 Mill. von 
der Rechnung absetzen, so daß die Propositionsdekrete vom 23. Febr. nur 
61 208590 Tlr. als außerordentlichen Aufwand angaben. 
Also erfuhren die getreuen Stände zum ersten Male von Amts wegen, 
was die Einsichtigeren freilich längst geahnt hatten: daß in Preußen schon 
seit langen Jahren neben dem veröffentlichten ordentlichen noch ein geheimes 
außerordentliches Budget bestand, und dies wurde ihnen auch jetzt nicht ein- 
mal in seiner Gesamtsumme vollständig mitgeteilt. Diesem Unwesen der 
doppelten Budgets hatte das Finanzministerium, zu Kühnes Verzweiflung, 
schon längst seine ganze Rechnungsweise angepaßt. Man berechnete die wahr- 
scheinlichen Einnahmen nicht nach dreijährigem Durchschnitte, sondern be- 
trachtete die Mehreinnahmen größtenteils als Ergebnisse vorübergehender 
günstiger Umstände, so daß, dank dem beständigen Wachstum des Volks- 
wohlstandes, regelmäßig bedeutende Überschüsse, im Jahre 1840 wieder 
6,8 Mill. Tlr., für außerordentliche Ausgaben verwendet werden konnten.) 
Der soeben veröffentlichte Etat für 1841 schloß in Einnahme und Aus- 
gabe wieder säuberlich mit 55 867.000 Tlr. ab, und unmöglich konnte 
man noch an die Richtigkeit dieser Zahlen glauben. Gleichwohl ergingen 
sich die Landtage allesamt nur in Danksagungen für den verheißenen 
Steuererlaß; niemand schien mehr zu wissen, daß der alte König die Be- 
kanntmachung der Etats einst ausdrücklich deshalb angeordnet hatte, da- 
mit jedermann sich von der Notwendigkeit der Abgabenlast selbst über- 
zeugen könnte. ) 
Durch Freimut und Selbstgefühl übertrafen die Preußen und die Rhein- 
länder alle anderen Provinzialstände; jene dachten mit Stolz an ihren 
Kant, diese an die Ideen von 89, die einen wie die anderen ließen sich's 
wohlgefallen, daß ihre beiden Provinzen von der süddeutschen Presse als 
die Bannerträger der Zivilisation im preußischen Staate gefeiert wurden. 
Aber selbst diese beiden Landtage wagten die Aufhebung der Zensur nicht 
förmlich zu verlangen, weil die Krone selbst schon einige Erleichterungen 
in Aussicht gestellt hatte. Die Preußen kleideten ihre Beschwerde über 
die harte Behandlung der Presse in so ehrfurchtsvolle Formen, daß der 
König sie durch Schöns Schwager Brünneck ausdrücklich beloben ließ. 
*) Ubersicht über die außerordentlichen Ausgaben der Jahre 1830—40. Von 
Rother, Alvensleben, Voß, 11. Febr. 1841. S. o. IV. 189. 544. 
*) Geh. Rat v. Patow, Denkschrift über den Steuererlaß, 4. April 1842. 
** ) S. o III. 84.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.