Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

148 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung 
wendung zuweisen. So in allem und jedem dachten sie für sich zu 
bleiben. 
Dies übermaß des Undanks fand selbst der langmütige Friedrich 
Wilhelm unerträglich. Erzürnt schrieb er seinen Ministern: der Landtag habe 
Mißbrauch getrieben mit dem Worte: polnische Nationalität, und solle 
daher nachdrücklich darüber belehrt werden, daß die Krone dieser Provinz 
keine politische Absonderung gestatten könne.“) Demgemäß sagte der Land— 
tagsabschied sehr ernst: das Großherzogtum sei eine Provinz wie alle 
andern, einverleibt der Monarchie, zu deren deutschem Kerne die Polen 
ganz ebenso stünden wie die Litauer oder die Wallonen; der nationale 
Gegensatz finde seinen Vereinigungspunkt in dem Namen Preußen. Die 
meisten Bitten des Landtags wurden abgeschlagen; die Kreisstände sollten 
das Recht der Landratswahl, die alten Offiziere ihre Pensionen erst wieder 
erhalten, wenn sie sich der Gnade würdig zeigten. 
Die deutsche liberale Presse wollte gar nicht begreifen, warum der 
freisinnige König die freisinnigen Polen so hart anließ. Am Peters— 
burger Hofe dagegen, wo die Posener Wirren mit wachsender Sorge ver— 
folgt wurden, atmete man befriedigt auf, der Zar zeigte dem preußischen 
Gesandten wieder eine lang vermißte Vertraulichkeit und Nesselrode dankte 
ihm herzlich für die würdige Abweisung des sarmatischen Übermutes.**) 
Die polnischen Edelleute klagten laut, in der Stille rieben sie sich zu— 
frieden die Hände; denn der Landtagsabschied enthielt unter vielen Ver— 
sagungen eine Gewährung und sie betraf gerade die wichtigste aller natio— 
nalen Beschwerden. Der König versprach nämlich, daß die von der Regierung 
aufgekauften überschuldeten Landgüter fürderhin auch an Polen veräußert 
werden sollten. Bisher hatte der Staat fast allein solche Güter angekauft, 
deren adlige Herren durch hochverräterische Umtriebe herabgekommen 
waren. Wenn er diese Besitzungen seiner geschworenen Feinde gegen reich— 
liche Zahlung an sich brachte und sie dann zuverlässigen Deutschen anver- 
traute, so arbeitete er nicht nur mit den mildesten Mitteln an dem großen 
Werke deutscher Kolonisation, das hier seit sechs Jahrhunderten im Gange 
war, er erwies auch den Polen selbst eine Wohltat, allerdings nicht dem 
Adel, wohl aber den kleinen Leuten; denn auf allen diesen verwahrlosten 
Gütern saßen dienstpflichtige Hintersassen, und bei jedem Verkaufe ließ 
Flottwell die bäuerlichen Lasten ablösen oder in billiger Weise neu ordnen. 
Das Verfahren des deutschen Beamtentums war so unanfechtbar, daß selbst 
General Thile, der den polnischen Neigungen seines königlichen Gönners 
so weit als möglich nachgab, nichts dawider einzuwenden wußte. Friedrich 
Wilhelm aber meinte, die Verwaltung hätte sich dieser friedlichen Ger- 
manisierungspolitik zu schämen, weil er den Märchen Glauben schenkte, die 
  
*) Kabinettsordre an das Staatsministerium, 12. Juni 1841. 
*) Liebermanns Berichte, 24. Aug., 28. Dez. 1841.
	        
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