Rochows Entlassung. 163
liebevollen Briefe: er hätte erfahren, daß Rochow seiner Gesundheit
halber auszutreten wünsche, und könne ihn nur unter Tränen scheiden
sehen. „Ich habe“, so fuhr er fort, „den kalten Verstand zu Hilfe rufen
müssen, und Sie wissen, lieber Freund, daß er nicht immer kommt, wenn
ich ihn rufe. Er ist aber diesmal gottlob gekommen, und jetzt —
billige ich Ihre Wünsche Es muß notwendig so eingerichtet
werden, daß auch die Bosheit nicht behaupten könne, Sie würden Schön
zum Opfer gebracht. Wenn Sie kurz nach Schöns Abgang Ihre Stel—
lung verändern, so ist dies politisch gut und ersprießlich.“ Dann ließ er
ihm die Wahl zwischen mehreren hohen Ämtern. Fünf Tage nachher
sendete Rochow das ihm also aufgezwungene Entlassungsgesuch ein. Er
fühlte sich tief verletzt durch die freundschaftlichen Worte, die ihm unter
solchen Umständen fast wie Heuchelei erscheinen mußten, und sagte in seinem
Begleitschreiben sehr deutlich, daß er die Gründe seines Sturzes wohl erraten
hatte. Die schwierige Stellung, so schrieb er, ist unter den seit 1840 ein—
getretenen Verhältnissen nur dann auszufüllen, wenn den Minister „der
Besitz des Einverständnisses, des offenen Vertrauens und des Schutzes
seines Souveräns dazu befähigt, einen bestimmt bezeichneten Weg konse—
quent und mit frischem Mute zu verfolgen.“ Das Gesuch ward genehmigt,
und zugleich verfügte der König, daß Rochow, da er kein anderes Amt
annahm, den Sitz im Ministerium wie im Staatsrate behalten solle.)
Auch diese Befehle wurden vorläufig noch streng geheim gehalten;
und so konnte das Seltsame geschehen, daß Rochow, der seinen Abschied
bereits in der Tasche hatte, noch über die Schrift des ebenfalls schon ent-
lassenen Schön sein Gutachten abgeben mußte. Im Juni wagte der König
endlich abzuschließen; am 3. wurde Schöns, am 13. Rochows Entlassung
veröffentlicht; Schön erhielt die Würde eines Burggrafen von Marienburg,
verlor aber seinen Sitz im Staatsministerium. So lagen denn beide
Gegner am Boden, obschon beide noch bis zuletzt auf eine günstige Wen-
dung gehofft hatten; und keine Partei wußte recht, ob sie klagen oder
jubeln sollte. Zufrieden waren vorerst nur die Klerikalen, weil Schön und
Rochow beide für Vertreter der alten harten Kirchenpolitik galten. Sehr
bald zeigte sich jedoch, daß die wunderliche Entscheidung nur den Liberalen
Schaden brachte. Als Nachfolger Schöns wurde Geh. Rat Bötticher
berufen, ein tüchtiger Jurist, der sich in hohen Richterstellen bewährt
hatte, in der Verwaltung aber nur wenig leistete und unter den Ost-
preußen niemals ein gesichertes Ansehen erlangte; seine hochkonservative
Gesinnung war allbekannt, und der König sprach bei seinem nächsten Be-
suche auf Marienburg öffentlich aus, daß er ihn nur deshalb zum Ober-
präsidenten ernannt hätte. Die Stelle des kommandierenden Generals er-
*) König Friedrich Wilhelm an Rochow, 9. April; zwei Eingaben Rochows an
den König, 14. April; Thiles Bericht an den König, 24. April 1842.
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